Wie steht Gott zu mehreren Partnerschaften?

Lukas
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Lieber Herr Muchlinsky,
ich hatte Ihnen vielleicht vor 14 Tagen eine Frage gestellt und noch keine Antwort bekommen. Ich will auch gar nicht drängeln, nörgeln oder nerven - danke, dass es hier so ein Fragen-Angebot gibt! - ich wollte bloß nochmal sichergehen, dass meine Frage tatsächlich angekommen ist. Vorsichtshalber stelle ich meine Frage nochmal ;) Und zwar frage ich mich, inwiefern es für Gott okay ist, mehrere Beziehungen zu haben. Ich meine die, ich sag mal, landläufige Meinung eines christlichen Beziehungsbildes ist ja das einer Ehe, also eines Partners, und das möglichst lebenslang. Ich bin da auch voll dafür. Aber ich lebe ja nun mal auch in unserer Zeit und da könnte man denken, es sei ein Sport, so viele Partner im Leben wie möglich gehabt zu haben - mehrere Partner hintereinander. Und was jetzt meine Frage "auslöst": im AT lässt Gott Polygamie zu - mehrere Partner nebeneinander! Dennoch glaube ich, dass auch die Bibel eher das "christliche Ideal" des einen Partners schon propagiert. Ich selber (19) hatte leider noch keine Beziehung, und habe auch nicht vor, meinen Partner wie die Unterwäsche zu wechseln. Vielleicht warte ich ja sogar auch auf "die Richtige". Auf der anderen Seite macht das der, der schon viele Beziehungen hatte ja evtl. auch, nach dem
Motto: "Du musst erst viele Frösche küssen, bis ein Prinz (oder eine Prinzessin :) ) vor dir steht". Und der ist vielleicht auch nicht glücklicher, wie ich, der noch nie eine Beziehung hatte.
Meine Frage ist halt: lässt es Gott nun zu, dass wir eine Beziehung eingehen, auch vielleicht ohne gleich eine (Ehe-)Bindung eingehen zu wollen, mit dem "Risiko", vielleicht nach dem jetzigen Partner auch noch einen nächsten zu haben?? Immerhin hat er ja wie gesagt auch mehrere parallele Partner zugelassen!! Ist es okay eine Beziehung einzugehen, einfach um Beziehung auszuprobieren? Das Bild einer Partnerschaft war zu bibl. Zeiten sicher auch anders, aus entsprechenden Gründen und "Umwelteinflüssen", aber inwiefern kann man die Worte der Bibel zu Beziehung auf heute übertragen?

Ich hätte nichts gegen was Ernstes und mir geht es auch nicht nur um Sex (aber auch ein bisschen...), trotzdem denke ich vielleicht auch nicht gleich an Heiraten, ich hätte im Moment einfach gerne eine Beziehung, wobei sich mir eben obige Fragen aufgetan haben.
Danke für Antworten!

Lieber Lukas,

vielen Dank für deine ausführliche(n) Frage(n) und deine Offenheit damit umzugehen. Ich finde es sehr schön und vor allem auch wichtig, dass du dir solche Fragen stellst, sie nicht einfach verdrängst und dich hier auf die Suche nach einer Antwort machst. Du hast, wie ich sehe, schon einiges an Wissen dazu angehäuft. Für deine Beziehung zu Gott und seine zu dir ist das sehr wichtig.

Ich fasse zu Beginn noch einmal ganz konkret deine Frage zusammen, so wie ich sie verstanden habe. Ist es okay mehrere Beziehungen nacheinander zu haben und sich damit also nicht auf einen einzigen Partner oder eine einzige Partnerin für das gesamte Leben festzulegen? So wie ich es nun, stark verkürzt, formuliert habe, klingt es nach einer geschlossenen Frage, die eine Ja/Nein-Antwort fordert. Ich möchte es gleich vorwegnehmen: eine direkte Antwort, ob ja oder nein, kann ich dir nicht geben. Das entscheidest du selber. Ich möchte dir aber ein paar Hinweise an die Hand geben, die dir dabei helfen können.

Grundsätzlich finden wir für den biblischen Kontext hauptsächlich Aussagen über die Ehe zwischen zwei Menschen. Wie du aber schon festgestellt hast, hat sich die Verwendung des Wortes „Ehe“ von der Zeit der Bibel bis jetzt verändert. Der Begriff „Beziehung“ oder der Begriff „Partnerschaft“ als solche kommt damals nicht vor (zumindest haben wir keine schriftlichen Belege dafür). Deshalb spreche ich im Folgenden vorerst immer von Ehe, wenn ich eine Beziehung, wie wir sie heute verstehen, zwischen zwei Menschen, meine. 

Du hast Recht, zur Zeit des Alten Testaments (AT), im Alten Orient, ist Polygamie ein Phänomen, das gängig ist. Man muss das aber noch konkretisieren, denn es war erlaubt und üblich, dass ein verheirateter Mann eine zweite Frau hatte, sofern er für diese sorgen konnte. Es war also kein flächendeckendes Phänomen, sondern eher etwas, was wir unter den reichen Männern beobachten konnten. Somit ist Polygamie auch der falsche Begriff; besser trifft es Polygynie (aus dem griech. für „viele Frauen“). Gängig war in diesem Kontext auch die Bigynie, welche einen Mann beschreibt, der genau zwei Frauen hatte. Dabei ging es häufig darum, wenn die erste Frau unfruchtbar war, trotzdem für Nachwuchs sorgen zu können. Obwohl das AT voller Gesetzestexte ist, finden wir keinen eindeutigen Gesetzestext, der sich mit der Polygamie auseinandersetzt und klar vorschreibt, wie eine Ehe auszusehen hat. Es werden nur Streitfälle diskutiert und in diesem besonderen Fall jeweils gelöst (z.B. Dtn 21,15-17 in Bezug auf die Erbfolge oder Ex 21,7-11 in Bezug auf den Fall einer Schulsklavin).

Wenn wir in das Neue Testament schauen, dann sieht das anders aus. Vor allem der Apostel Paulus beschäftigt sich mit den Themen Ehe und Sexualität insbesondere im 1Kor. Dort beschreibt er sein Ideal von einem enthaltsamen Leben (1Kor 7). Er ist sich aber auch bewusst, dass das nicht für jeden etwas ist. Darum sollte man heiraten, denn es ist schlimmer, wenn man sich nicht enthalten kann als wenn man verheiratet ist. Wenn also Sexualität (in Paulus‘ Argumentation ist das auf den Mann beschränkt) ausgelebt wird, dann soll sie in geregelten Bahnen ablaufen – in der Ehe. Eine weitere bekannte Stelle aus dem 1Kor, die sich mit der Sexualität und dem Verhältnis von Mann und Frau beschäftigt, ist 1Kor 6,12ff. Paulus spricht sich dort eindeutig gegen Hurerei aus. Er beginnt seine Ausführungen mit folgendem Satz, der die Botschaft für die frühen Christen und des NT gut zusammenfasst: „Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten. Alles ist mir erlaubt, aber es soll mich nichts gefangen nehmen.“ (1Kor 6,12)

Nun möchte ich diese alttestamentliche und neutestamentliche Position in das 21. Jahrhundert übertragen, denn das ist der wirklich knifflige Teil deiner Frage, wie du schon selber angemerkt hast. Wie bei so vielen Themen, die in der Bibel behandelt werden, können wir die Regeln von damals nicht direkt auf heute übertragen. Denn mit uns Menschen hat sich auch die Zeit und die damit verbundene Lebensweise geändert. Deshalb lohnt es sich einen Blick in die Gesellschaft zu werfen und zu betrachten, wie sich das Zusammenleben der Menschen verändert hat. Die EKD hat zum Thema Familie und Ehe eine Orientierungshilfe herausgegeben, deren zusammengefasste Thesen du unter folgendem Link findest: https://www.ekd.de/22588.htm. Es lohnt sich dort hinein zu lesen und sich einen Überblick zu verschaffen über das Familienbild, welches die EKD als Ideal darstellt.

Eine Partnerschaft oder Beziehung, nach der du konkret fragst, ist zwar nicht gleich eine Familie, aber trotzdem können wir einiges aus diesem Papier entnehmen, dass sich auf eine gelingende Beziehung anwenden lässt. Eine These lautet wie folgt: „Protestantische Theologie unterstützt das Leitbild der an Gerechtigkeit orientierten Familie, die in verlässlicher und verbindlicher Partnerschaft verantwortlich gelebt wird“ (siehe Theologische Orientierung). Damit sind wir an einem spannenden Punkt, den wir von der Familie auch auf eine außereheliche Partnerschaft oder Beziehung übertragen können. Denn es geht um den Menschen, der dein Gegenüber ist und nicht primär um das Phänomen Beziehung! Wie „eine verlässliche und verbindliche Partnerschaft“ gelingen kann, das ist es, denke ich, worüber du dir Gedanken machen kannst, indem du deinen Partner/deine Partnerin in den Fokus stellst. Fühle ich mich mit dem Menschen wohl? Gibt es etwas, was uns verbindet? Kann ich mir vorstellen mein Leben mit dieser Person zu teilen oder mache ich das vielleicht schon ganz unbewusst, weil es sich so gut anfühlt? Verbringen wir gut und gern Zeit zusammen? Haben wir vielleicht gleiche Interessen oder lernen wir stets von den Interessen des jeweils anderen?

Ich möchte dich ermutigen deine Entscheidung von dem (möglichen) Partner/der (möglichen) Partnerin abhängig zu machen und es mit ihm/ihr zu besprechen. Einen Masterplan kann ich dir nicht geben, ob nun eines der beiden Extreme "Du musst erst viele Frösche küssen, bis ein Prinz (oder eine Prinzessin) vor dir steht" oder „Warte auf die/den eine/n Richtigen, denn es lohnt sich“ gültig ist, das hängt davon ab, wie es dir damit geht. Wenn du in einer Beziehung bist und nach einiger Zeit feststellst, dass es dir damit gar nicht gut geht, wenn sich die Beziehung zwischen dir und deinem Partner/deiner Partnerin verändert hat, dann sprecht darüber und tauscht euch aus. Versucht gemeinsam die Situation zu lösen und wenn es sich so ergibt, dann kann auch eine Trennung manchmal nicht vermieden werden. Aber ich bin sicher, dass Gott auf deiner Seite ist und dich nicht verlässt. Er wird dich trösten und dir Halt geben. Wenn du aber gleichermaßen, vielleicht am Ende deines Lebens oder in ca. 40-50 Jahren auf dein Leben zurückschaust und feststellst, dass du eine einzige Beziehung hattest, die dir genauso Halt gegeben hat und dich bis zu dem jeweiligen Tag stützt, dann steht Gott genauso an deiner Seite und schützt dich.    

Abschließend möchte ich dich noch auf das Hohelied der Liebe hinweisen. Vielleicht hast du es schon einmal gelesen. Es steht im 1Kor 13. Der bekannteste Satz davon ist Vers 13, denn dort heißt es: „Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen“. So wie wir Gottes Liebe erfahren, wünscht sich Gott, dass wir sie auf Erden untereinander weitergeben und selber erfahren können. Das verstehe ich als Orientierung für eine Beziehung oder Partnerschaft.

Ich wünsche dir alles Gute auf deinem weiteren Weg.

Pia Heu

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