Heiliger Geist oder heilige Geistkraft?

Fritz Feit
Landschaft mit Wiese und Sonnenstrahlen.
© Getty Images/iStockphoto/wirbnbrinf

Hallo, ich habe inzwischen bei mehreren Segnungen von Pfarrern und Pfarrerinnen den Ausspruch "heilige Geistkraft" anstatt Heiliger Geist gehört. Ich empfinde das als eine Herabsetzung des Heiligen Geistes. Unser Glaubensbekenntnis und die ganzen Bibelinhalte sprechen ja auch vom Heiligen Geist und nicht von irgend einer Kraft. Das wirkt für mich sehr mechanisch. So als könnte ich das an - bzw. abstellen wie einen Motor.

Lieber Herr Feit,

über Ihre Frage habe ich mich gefreut und sie aus den vielen Fragen, mit denen wir, das Fragenteam, uns beschäftigen, schnell an mich gezogen. Ich bin Pastor und Theologe, habe in den 1980er Jahren studiert und mich in meinen jüngeren Jahren gegen die Umformulierung von "Heiliger Geist" zu "heiliger Geistkraft" gewehrt. Ihre Frage ist also auch meine Frage gewesen. Ihr Gedanke, heilige Geistkraft sei an der mechanischen Struktur unseres Lebens  orientiert, macht mich sehr nachdenklich. Nein, Gott ist kein Motor, dessen Innenleben von geschickten Mechanikerinnen und Mechanikern zusammengesetzt ist. Gott wirkt immer geheimnisvoll.  

Theologie ist menschliche Rede von Gott. Da die Theologie über Jahrhunderte eine Männerdomäne war, ist die Sprache unserer Kirche natürlich männlich geprägt. Darum wirkt es - zunächst - so befremdlich, wenn man von Gott als "sie" spricht. Viele Männer meiner Generation haben zunächst abfällig über die feministische Theologie gelächelt, sie fühlten sich im Recht, denn Tradition und das Machtgefälle unserer Kirche war einst auf der Seite der Männer.  Diese Dominanz ist allerdings unberechtigt. 

Dass viele Frauen in der männlichen Sprache keine geistliche Heimat fanden, liegt nah. Das haben wir, auch viele Theologen meiner Generation, schnell gelernt. 

Die Kritik an einer männlichen Rede von Gott verbindet die feministische Theologie mit der Frage nach der Weiblichkeit Gottes. Und nun kommt die Überraschung:  Schon der Geist Gottes, der über den Wassern schwebt (Genesis 1,1), ist weiblich, nämlich: Die "Ruach". Und dann wird deutlich, dass der Geist Gottes als dynamische Lebenskraft Menschheit und Natur durchwaltet, Leben schenkt, erhält und sich in ihm entfaltet (siehe: Weisheit 1). Eigenschaften, die eher als „typisch weiblich" gelten, sind mit dem bislang männlichen Geist Gottes verbunden.

Übrigens ist der Heilige Geist in einem 600 Jahre alten Deckengemälde im Prien am Chiemsee als Frau dargestellt. Offenbar ahnte man die Weiblichkeit des Heiligen Geistes bis ins Mittelalter hinein. Aber man interpretierte diese Frauengestalt, die in der Heiligen Dreifaltigkeit den Heiligen Geist darstellt, als Maria und vergaß die ursprüngliche Deutung des Heiligen Geistes als weibliche Kraft.  

Die Wirkkraft des Geistes ist aber schöpferisch, also aufgeladen mit Kreativität, Lebenswillen, Lebensmut. Früher hätte man von Mütterlichkeit und Fruchtbarkeit gesprochen. Heute sehe ich hier eine ursprüngliche Kraft am Werk, die in die Tiefen des Leben wirkt: Heiliger Geist brütet über dem Leben (Genesis 1), schafft Leben, durchwaltet es und seufzt in uns und unseren Gebeten (Römer 8,26). Mut in kraftlosen Zeiten, Genesung in schwerer Krankheit, Trost in ausweglosen Situationen verspricht der Heilige Geist und für das Geheimnis neue Kraft möchte ich offen sein (1.Thessalonicher 1,5).  Eben Kraft, aber nicht Mechanik, sondern wirksam ohne Garantie.

In Gottesdiensten spreche ich trotzdem noch immer - wie früher am Anfang meiner Pastorenzeit - von dem Heiligen Geist. Es geht ja vielen Menschen so, wie Ihnen, Sie erwarten die Worte, die uns seit alten Zeiten vertraut sind. Ich bemühe mich darum - gerade im Segen -, diese männliche Sprache aufzulösen. Und ich freue mich über neue Formulierungen der jungen Pastorinnen und Pastoren, da kann ich viel lernen. 

Wenn Menschen um einen Segen bitten, gebe ich gerne ein Bibelwort mit. Auf einem Kärtchen, das ich in die Hand lege, steht ein Bibel- oder ein Segenswort aus der feministischen Tradition, zum Beispiel: 

"Gott stärke, was in dir wachsen will,
er (sie) schütze, was dich lebendig macht.
Gott schenke dir, was für dich heilsam ist,
er (sie) schaue darauf, was du freigibst."

Nun haben Sie uns, das Frageteam der evangelischen Kirche gefragt und ich, ein Pastor mit über dreißig Jahren Berufsleben, habe Ihnen geantwortet. 

Wichtiger als meine Antwort ist, dass Sie dieses Gespräch mit den Pfarrern und Pfarrerinnen in Ihrer Gemeinde führen. Gerade dann, wenn Sie beim Segen immer an aufheulende Motoren und maschinelle Kraft denken, dann findet sich vielleicht in Ihrer Gemeinde ein passendes Segenswort, dass nicht in die alte Männerkirche zurückführt sondern das geheimnisvolle Wirken Gottes auch für Sie angemessen entfaltet. 

Ich grüße Sie freundlich, 

Ihr Henning Kiene 

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