Ist die Kirche zu "weltlich" geworden?

Florentina John
 Den Blick auf Gott im Himmel richten in Krisenzeiten
©Getty Images/Westend61/Westend61

Lieber Herr Muchlinsky,
Erstmal vorab: Ich stamme aus einer Freikirche und habe daher nicht allzu viel Kontakt zu Landeskirchen, also ist mir natürlich bewusst, dass meine Beobachtungen keinesfalls auf alle zutreffen. Man kann schließlich auch nicht alle Freikirchen über einen Kamm scheren. Wenn ich allerdings zur Landeskirche Kontakt hatte, ist mir aufgefallen, dass häufig sehr viel Wert auf weltliche Dinge gelegt wird und die Ewigkeit selten bis gar nicht erwähnt wird. Ein sehr aktuelles Beispiel ist die Stellungnahme der drei großen Kirchen Deutschlands zur Corona Epidemie. In dieser wird der Wert des Glaubens fast ausschließlich auf Mithilfe in der Gesellschaft bezogen und auch Gott selbst wird fast nur im Kontext erwähnt, dass er der Tröster der Kranken ist. Dies ist natürlich nicht falsch, aber persönlich hätte ich mir eher erhofft, zu hören, dass Angst in diesen Tagen unnötig ist, da unser Gott diese Welt überwunden hat. Oder Aufrufe zur Buße und zur Umkehr, da mit dem Tod eben nicht alles vorbei ist. So klang diese Stellungnahme auch nicht viel anders als die Rede der Bundeskanzlerin...Abgesehen davon habe ich schon oft auf die Frage, wozu Kirche eigentlich gebraucht wird, eher die Antwort gehört, dass sie Nächstenliebe predigt, nicht, dass sie den auferstandenen Christus predigt, den die Menschen für ihr Heil brauchen. (Und dass nicht nur von Mitschülern aus dem Reliunterricht, sondern auch von hochrangigen Kirchenvertretern) Ich habe sogar mal einen evangelischen Pfarrer predigen hören, dass Jesus nicht für ihn persönlich gestorben ist, sondern nur für die Menschen zu seiner (also Jesu, nicht des Pfarrers) Lebenszeit. Meine Frage ist nun, wie Sie das, als evangelischer Pfarrer, sehen? Bezieht sich die Kirche zu sehr auf die weltlichen Dinge, die sie tut?
Liebe Grüße und Gottes Segen
Florentina John

Liebe Frau John,

ich kann Ihre Frage gut nachvollziehen. Manchmal ist unsere Kirche vor allem dadurch wahrnehmbar, weil sie sich für andere Menschen einsetzt. Das liegt natürlich zum einen daran, dass Kirche und Diakonie viele Initiativen unterstützen, die sich in erster Linie um das Wohl der Menschen im Hier und Jetzt kümmern. Zum anderen liegt es auch an der Wahrnehmung durch die verschiedenen Medien. Die Tagesschau wird sich nicht dafür interessieren, dass der Ratsvorsitzende der EKD, Heinrich Bedford-Strohm, jetzt während der Coronakrise jeden Morgen ein kleines Video auf Facebook verbreitet, in dem er von Gott redet, vom Vertrauen, das wir auf ihn setzen können, von der Hilfe, die das Beten bedeutet. Schauen Sie sich einmal diesen kleinen Beitrag vom 27.3. an, das ist ziemlich genau das, was Sie vermissen. Die Nachrichten wollen hören, was die Kirchen aktiv gegen das Leiden tun, und das erzählen wir ihnen natürlich auch gern.

Als die Krise so richtig begann, und es klar war, dass die Gottesdienste in den Kirchen ausfallen müssen, haben sich überall – in den Landeskirchen, in den Diözesen und in den Freikirchen Menschen geregt und nach Wegen gesucht, die Frohe Botschaft trotzdem zu verkünden. Auf  evangelisch.de haben wir in der letzten Woche eine Seite an den Start gebracht, die einen einzigen Zweck hat: Dass wir zusammen beten können und sehen, dass niemand im Gebet allein ist. Bei coronagebet.de geht es um unsere "weltlichen" Sorgen und um unsere "himmlische" Hoffnung.

Was nun einige Aussagen meiner Kolleginnen oder Kollegen angeht, so möchte ich mich dazu lieber nicht äußern, weil ich nicht dabei war, als sie das sagten, was Sie schreiben. Ich kann für mich sprechen, dass ich aus dem Glauben an den dreieinigen Gott lebe, und das bedeutet selbstverständlich, dass ich die Auferstehung Jesu Christi verkündige und zu Ostern wieder feiern werde, dass Gott uns alle durch Jesu Tod und Auferstehung ein ewiges Heil geschenkt hat. Und ich liebe es, mir in der Not Jesu Worte ins Gedächtnis zu rufen: "In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden." (Joh 16,33)

Unsere Kirchen sind nicht zu weltlich geworden, aber es ist gut, dass wir uns immer wieder daran erinnern lassen, dass uns der Himmel blüht! Darum danke ich Ihnen für Ihre Frage.

Gott segne Sie!

Frank Muchlinsky

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