Wie ist die Formulierung "bitten wir dich durch Jesus Christus, unseren Herrn" zu verstehen?
Wir können doch direkt zu Gott beten, IHN bitten. Ich habe mir dazu zwar inzwischen "eine eigene Erklärung" gesucht, bin aber auf Ihre Antwort sehr gespannt.
Liebe Ursel,
Sie haben natürlich Recht: Wir dürfen direkt zu Gott beten und brauchen im Grunde genommen keine "Vermittler". Trotzdem wird die Formulierung, die Sie hier zitieren, traditionell im Gottesdienst verwendet, und zwar als Schlussformel des sogenannten "Kollektengebetes". (Das ist das Gebet , das im Anfangsteil des Gottesdienstes gebetet wird, in dem sich die Gemeinde "sammelt", darum "Kollektengebet". Das hat nichts mit der Sammlung von Geld zu tun.)
Der Hintergrund dazu ist, dass wir Jesus diesen besonderen, direkten Zugang zu Gott verdanken. Das wird in der Bibel besonders im Johannesevangelium betont. Dort wird Jesus immer wieder als der Mittler zwischen Gott und den Menschen dargestellt. Dort steht auch mehrfach – in leichten Abwandlungen – die Formulierung: "Wenn ihr den Vater um etwas bitten werdet in meinem Namen, wird er's euch geben." (Joh 16,23)
Außerdem wird meistens noch die Formulierung angeschlossen: "der mit dir und dem Heiligen Geist lebt und regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit." Auf diese Weise bekommt das Gebet einen trinitarischen Schluss: Vater, Sohn und Heiliger Geist. So wird das Gebet gleichzeitig zu einem kleinen christlichen Bekenntnis: Wir beten zu einem bestimmten Gott, nämlich zu dem Vater Jesu Christi.
Und diese Formel hat außerdem noch einen praktischen Aspekt: Es ist ein hörbares Zeichen für die Organistin beziehungsweise den Organisten, dass gleich das Amen kommt, zu dem die Orgel spielt.
Ich frage mich, ob Sie wohl für sich selbst zu einer ähnlichen Antwort gekommen sind. So oder so wünsche ich Ihnen alles Gute!
Herzlich
Frank Muchlinsky