Ehenichtigkeitsverfahren für evangelische Paare?

M.K.

Sehr geehrter Herr Muchlinsky,
mein Ex-Mann hat den Antrag gestellt, prüfen zu lassen, ob unsere Ehe überhaupt gültig zustande gekommen ist. Die Ehe wurde standesamtlich und kirchlich (evangelisch) geschlossen und bereits zivilrechtlich geschieden. Das Ehenichtigkeitsverfahren soll meinem Ex Mann ermöglichen wieder (katholisch) kirchlich zu heiraten. Stimmt es, dass die Gründe die er dabei anführt dazu führen können, dass ich nicht ohne weiteres wieder kirchlich (katholisch oder evangelisch) heiraten kann? Wenn dem so ist, wie kann ich dem entgegenwirken? Mein Ex Mann gibt als Grund u.a. an, dass ich seinem Kinderwunsch nicht zugestimmt habe. Ich hätte mit Absicht verhütet, obwohl es keinen Grund dafür gab, keine Kinder bekommen zu wollen. Der Wunsch nach Kindern war während unserer gesamten Beziehung nie ein Thema. Des Weiteren soll ich dafür gesorgt haben, dass es (mein Ex) den Kontakt zu seinen Eltern abbricht (wir waren fast jeden Tag bei seinen Eltern) und das ich ihm den Kontakt zu seinem Freundeskreis (er hatte gar keinen) verwehrt hätte. Diese Gründe sind für mich nicht nachvollziehbar. Meiner Meinung nach wurde die Klageschrift mit Hilfe von unterschiedlichen Medien verfasst, um die katholische Kirche zufrieden zu stellen. Ich habe auch keinen Zweifel daran, dass die von meinem Ex benannten Zeugen, seine Aussagen bestätigen werden. Ob diese nun stimmen oder nicht.
Ich würde gerne wissen, was ich tun kann, um die Möglichkeit zu haben wieder kirchlich (katholisch oder evangelisch) zu heiraten.
Vielen Dank im Voraus.
M.K.

Liebe M.K.,

Es ist tatsächlich, wie Sie vermuten: Wer einmal verheiratet war, darf nicht mehr katholisch heiraten. Dabei spielt es keine Rolle, ob Sie selbst evangelisch oder katholisch sind. Ich habe noch einmal nachgefragt bei Dr. Klaus Kottmann vom Bischöflichen Offizilat der Diözesen Hamburg und Osnabrück. Das Offizilat ist das kirchliche Gericht, an dem Eheprozesse geführt werden. Er hat mir geantwortet:

"Für die kath. Kirche ist die Ehe unter Getauften Sakrament. Wenn also zwei evangelisch getaufte (und bisher unverheiratete) Christen einander heiraten, wird ihre Ehe von der kath. Kirche – egal ob nur zivil oder auch kirchlich geschlossen – als sakramentale und damit unauflösliche Ehe bewertet (consensus facit nuptias). Nach einer zivilen Scheidung steht einer Wiederheirat somit das Hindernis des (im religiösen Bereich) noch bestehenden Ehebandes entgegen. Einzige Möglichkeit zur WIederheirat: Ehenichtigkeitsverfahren!"

Für Sie und Ihren Ex-Ehemann bedeutet das: Wenn er ein solches Ehenichtigkeitsverfahren führt und Ihre Ehe katholischerseits für nichtig erklärt wird, dann kann er – und Sie selbstverständlich auch, wenn Sie das möchten, sich katholisch trauen lassen. Sie waren dann – eben nach katholischem Verständnis – niemals richtig verheiratet.

Wie gesagt, das gilt nur, wenn Sie einen Katholiken in einer katholischen Kirche heiraten möchten. Die evangelische Kirche verzichtet auf ein "Ehenichtigkeitsverfahren". Nach evangelischem Verständnis ist die Ehe eine zivilrechtliche Angelegenheit, die nach derzeitig geltendem Recht eben auch geschieden werden kann. Eine erneute Trauung in einer evangelischen Kirche wäre also – auch mit einem katholischen Partner – möglich.

Mit freundlichem Gruß

Frank Muchlinsky