Sehr geehrter Herr Muchlinsky,
da mir Ihre Art der Beantwortung von Fragen hier sehr gefällt, wende ich mich heute mit einem Thema an Sie, das mich schon lange in meiner Arbeit als Prädikantin beschäftigt und mir dort auch durch andere Menschen immer wieder begegnet: Welchen Unterschied macht es (vor Gott und vor den Menschen), wenn die Lebensformen "Der Herr segne dich..." oder "Der Herr segne uns..." lautet? Es gibt Leute (auch Pfarrer), die meinen, die exklusive Formulierung dürfen nur Pfarrer benutzen. Stimmt das? Darüber hinaus habe ich gelesen, dass beide Varianten etwas Unterschiedliches ausdrücken, nämlich Zuspruch oder Bitte. Was genau ist damit gemeint?
Ich würde mich sehr über eine Antwort von Ihnen freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Isabel
Liebe Isabel,
wie schön, dass Sie Ihr Amt als Prädikantin so ernst nehmen, dass Sie sich mit solchen Fragen beschäftigen! In der Tat macht es einen Unterschied, ob man den Segen so formuliert, dass man als Liturgin oder Liturg sich selbst mit einschließt (also "Gott segne uns") oder ob man die anderen anspricht ("Gott segne Euch"). Der Unterschied hat auch tatsächlich damit zu tun, dass man im ersten Fall Gott um den Segen für die Versammelten bittet, während man im zweiten Fall der Gemeinde den Segen Gottes zuspricht.
Vielleicht merken Sie, warum hier einige Leute sagen, der Zuspruch sei sozusagen "mehr", weil da ja eine Person in Gottes Namen den Segen spendet. Wer sich sozusagen in die Reihe mit den anderen stellt und Gott einfach um den Segen bittet, spricht eben nicht in Gottes Namen. Und das ist auch der Grund dafür, warum einige Kolleginnen oder Kollegen diese Form des Segens gern für sich behalten möchten. Dahinter steht der Gedanke, dass es wie mit den Sakramenten ist, die nur ordinierte Personen spenden sollen, weil sie im richtigen Verständnis und Umgang damit unterrichtet wurden und ihnen das Amt dafür übertragen wurde.
Allerdings ist es nach meinem Verständnis mit dem Segen anders als mit den Sakramenten. Jeder gläubige Mensch kann andere im Namen Gottes segnen, ihnen auch den Segen zusprechen. Jeder darf sich am Ende des Gottesdienstes vor die Gemeinde stellen und sagen: "Der HERR segne dich und behüte dich. Der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig. Der HERR erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden!" Es ist nicht die Person selbst, die den Segen "macht". Sie ist vielmehr diejenige, durch die der Segen Gottes auf die Gemeinde kommt.
Um anderen den Segen Gottes zuzusprechen, braucht man lediglich das Vertrauen darin, dass Gott es gut mit uns meint. Es ist ja kein Wunder, dass wir den Segen gerade am Ende des Gottesdienstes sprechen, bevor wir auseinandergehen. Segen gehört meistens in Abschiedssituationen, in denen wir anderen sagen möchten: "Gleich sind wir nicht mehr zusammen, aber du sollst nicht allein sein. Ich befehle dich in Gottes Hände." Wenn Sie das empfinden, dann sagen Sie auch im Gottesdienst als Prädikantin beim Segen: "Der HERR segne dich!" Hier noch ein kleiner Tipp zum Weiterlesen: Ein Beitrag von Karin Vorländer zum Theme "Kinder einfach segnen" aus unserem "Taufbegleiter".
Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen. Gott segne Sie!
Frank Muchlinsky