Guten Tag,
da unter dem Artikel "Queer und gläubig - und wie das geht" keine Möglichkeit besteht, einen Kommentar zu schreiben, wende ich mich an Sie.
Sie sind offensichtlich auf den Zug der Homosexuellen und Transleute aufgesprungen und verachten lieber Gottes Wort, anstatt diesen bedauernswerten Menschen dieses klar zu predigen. Es gibt nur zwei Geschlechter, Mann und Frau. Es gibt sehr selten Säuglinge, die mit beiden Geschlechtsmerkmalen ausgestattet sind, die evtl. mit dem zugewiesenen Geschlecht nicht einverstanden sind, sich im falschen Körper befinden. Diese Haltung ist Sünde, denn Gott macht keinen Fehler, und damit sollten diese Menschen befähigt werden, ihr Geschlecht zu akzeptieren.
Ebenfalls kritisiere ich den Genderwahn und vor allem die Sünde, Gott queer machen zu wollen, seinen heiligen Namen als G*tt zu verhunzen und ihn lächerlich zu machen. Das wird Ihnen zum Verhängnis werden, denn Gott lässt niemanden ungestraft, der seinen Namen missbraucht. Sie haben den Auftrag, Gottes Wort unverfälscht zu verkündigen, sich niemandem anzubiedern und Gottlosen keine Plattform zu geben.
Verführen Sie niemanden, weisen Sie den rechten Weg, der eng und steinig ist, Jesus Christus selbst ist ihn gegangen. Besinnen Sie sich und werden Sie fromm.
Seien Sie gesegnet,
Bea Jöck
Liebe Frau Jöck,
Ihre Nachricht ist deutlich und leidenschaftlich formuliert. Ich bin mir nicht sicher, ob Sie tatsächlich eine Antwort von mir erwarten. Ihre Appelle an mich klingen eher abschließend. Dennoch möchte ich auf einige Ihrer Aussagen eingehen – nicht um zu streiten, sondern um zu zeigen, wie ich als Pfarrer und Christ darüber denke, beziehungsweise, wie sich meine Frömmigkeit von Ihrer unterscheidet.
Zunächst: Die Vorstellung, dass es nur zwei Geschlechter gibt, ist biologisch und gesellschaftlich nicht so eindeutig, wie das oft dargestellt wird. Es gibt Menschen, die intergeschlechtlich geboren werden – das haben Sie selbst erwähnt. Aber auch darüber hinaus gibt es Menschen, die sich nicht in die Kategorien „männlich“ oder „weiblich“ einordnen können oder wollen. Das ist kein „Wahn“, sondern eine Realität, die viele Menschen betrifft und die sie oft mit großem Leid erleben. Ihnen mit Respekt und Verständnis zu begegnen, ist für praktizierte christliche Nächstenliebe.
Sie sagen, Gott mache keine Fehler. Darin stimme ich Ihnen grundsätzlich zu. Aber daraus zu schließen, dass Menschen, die sich als trans oder queer verstehen, sich gegen Gottes Schöpfung stellen, halte ich für zu kurz gegriffen. Diese Menschen sind – wie alles, was lebt – Teil von Gottes Schöpfung. Sie sind nicht „bedauernswert“, sondern geliebte Geschöpfe Gottes. Die Bibel sagt: „Gott sah alles an, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut“ (1. Mose 1,31). Dieses „sehr gut“ gilt für alle Menschen – auch für die, die nicht in unsere gewohnten Kategorien passen.
Was die Schreibweise „G*tt“ betrifft: Sie soll nicht Gottes Namen lächerlich machen, sondern ist ein Versuch, Gottes Wesen sprachlich zu öffnen. So wie in der hebräischen Schreibweise aus Respekt vor dem Namen Gottes die Vokale beim Schreiben weggelassen werden (es bleiben eben lediglich JHWH), so zeigt der Stern anstelle des o Respekt vor dem Wesen Gottes. Gott ist viel größer, als unsere Kategorien oder auch nur unsere Sprache erfassen können. Es geht nicht darum, Gott queer zu machen, sondern es geht darum, Gott größer zu denken als in geschlechtlichen Kategorien.
Natürlich kann man darüber streiten, ob dieser besondere Weg sinnvoll ist. Aber es ist kein Spott, sondern ein Ausdruck der Sehnsucht, Gott umfassend zu denken und für alle erfahrbar zu machen. Wenn Menschen versuchen, Gott neu zu benennen, dann ist das manchmal ein Zeichen dafür, wie ernst sie es meinen mit der Suche nach ihm.
Sie schreiben: „Sie haben den Auftrag, Gottes Wort unverfälscht zu verkündigen.“ Die genaue Formulierung lautet so: Als ordinierter Pfarrer bin ich verpflichtet, „das Evangelium von Jesus Christus, wie es in der Heiligen Schrift gegeben und im Bekenntnis ihrer Kirche bezeugt ist, rein zu lehren.“ (Pfarrdienstrecht der Evangelischen Kirche in Deutschland, §3) Vom „Wort Gottes“ ist hier aus gutem Grund nicht die Rede, denn das ist ein missverständlicher Begriff. Ich nehme an, Sie verstehen darunter die Bibel. Aber unsere Kirche versteht die Bibel als Heilige Schrift, in der das Evangelium von Jesus Christus bezeugt wird. Das ist ein entscheidender Unterschied, denn wir bekennen Jesus Christus selbst als das Wort Gottes.
Die Bibel ist für uns das gültige Zeugnis der Guten Botschaft. Es geht also für Leute im Pfarramt gerade nicht darum, die Bibel möglichst wortgetreu oder „unverfälscht“ zu verkündigen. Es geht darum, die Botschaft, die uns Gott in Jesus Christus gegeben hat, und die in der Bibel aufgeschrieben wurde, rein zu verkündigen. Diese Reinheit ist mir ausgesprochen wichtig. Sie bedeutet, dass ich mich immer wieder darauf besinne, worum es Gott geht. Jesus Christus steht für die Versöhnung zwischen Gott und den Menschen. Die Bibel erzählt die Geschichte davon, warum wir Menschen diese Versöhnung brauchen, und warum wir sie selbst niemals erreichen konnten. Dass Gott sich von sich aus mit uns versöhnt, ist der größte Akt der Liebe überhaupt. Darum soll sich jede Verkündigung, für Versöhnung und Liebe aussprechen und gegen Spaltung und Verachtung. So ist die Verkündigung tatsächlich „rein“.
Ihre weiteren Ermahnungen nehme ich mir zu Herzen, bis auf die, fromm zu werden. Ich bin durchaus ein frommer Mensch, der versucht, aufmerksam Gottes Wort zu hören und ihm zu entsprechen. Sicherlich ist da – wie überall – noch Luft nach oben, darum könnte ich mich auf „werden Sie noch frömmer“ einigen. Für Ihren Segenswunsch bedanke ich mich und erwidere ihn gern: Gott segne Sie!
Herzliche Grüße
Frank Muchlinsky