Kommt Jemand, der sich das Leben genommen hat, in den Himmel?

Marvin
Gebrochener Engel
©Marek Studzinski/Unsplash

Hallo,
keine Sorge ich bin nicht suizidgefährdet. Mir geht es gut.
Ich stelle diese Frage nur deswegen, weil ich finde, dass es eine schwierige aber auch interessante Frage ist.
Kommen Menschen, die sich das Leben genommen haben nach dem Suizid in das ewige Leben bzw. in den Himmel? Oder müssen diese Menschen die Hölle befürchten?
Für die Beantwortung der Frage danke ich Ihnen im Voraus.
Viele Grüsse

Marvin

Lieber Marvin,

danke für Ihre Frage! In der Tat ist das eine Frage, die im Laufe der (Kirchen)-geschichte sehr unterschiedlich beantwortet worden ist.

Und, wie es mit dem "Himmel" so ist, entzieht sich letztlich ja unserer menschlichen Kenntnis, insofern gibt es keine ganz "richtige" Antwort darauf, denn wir bewegen uns im Bereich von Hoffnung und Glaube, nicht im Bereich des Wissens. Allerdings kann ich Ihnen aus meiner persönlichen theologischen Perspektive etwas dazu sagen.

Seit der Antike war die Frage nach der Legitimität eines Suizids immer auch mit der Frage danach verbunden, wem eigentlich das eigene Leben gehört. Der Kirchenlehrer Augustinus kam im 5. Jahrhundert zu dem Schluss, Suizid sei ein Verbrechen. Das begründete er mit der biblischen Erzählung vom Selbstmord des Judas und mit dem  Gebot "Du sollst nicht töten". Die Folge waren harte Strafen für Menschen, die einen Suizid- oder Suizidversuch begangen hatten. Sie wurden aus der Kirche ausgeschlossen und oftmals nicht auf kirchlichen Friedhöfen bestattet. Und auch der große Philosoph der Aufklärung, Immanuel Kant, stand dem Thema Suizid sehr kritisch gegenüber, weil er ihn als ein Verletzen der Pflicht , die ein Mensch anderen Menschen gebenüber habe, verstand. Christlich-religiös wurde der Suizid oftmals als ein Vergehen gegenüber Gott betrachtet, dem wir unser Leben verdanken: Es sei ein Geschenk, das man nicht eigenmächtig zurückgeben dürfe.

Tatsächlich wurde erst 1983 in Deutschland das Bestattungsverbot auf kirchlichen Friedhöfen aufgehoben.

Inzwischen haben sich die Positionen zu diesem Thema vervielfältigt. Im Vordergrund steht auch in der Theologie mittlerweile, vor Allem die Not eines Menschen, der keinen anderen Ausweg als den Tod sieht, anzuerkennen und damit einen seelsorglichen Umgang zu finden. Und auch die WHO schätzt suizidales Verhalten als klinisches Problem ein - folglich also gewissermaßen als "Krankheit", und für eine "Krankheit" kann ein Mensch ja nichts, insofern kann man ihn auch nicht im religiösen Sinne dafür verurteilen.

Nun zu Ihrer eigentlichen Frage, nämlich der, ob Menschen, die sich das Leben genommen haben, in den Himmel kommen, oder die "Hölle" befürchten müssen: Ich persönlich denke, dass Gott, der die Liebe ist, jeden Menschen in seinen Stärken und Schwächen so annimmt, wie er oder sie ist. Und dass Gott die Not eines Menschen sieht, ja, auch alles zerbrochene und schmerzhafte eines Lebens bei sich aufnimmt. Und der "Himmel", wie auch immer er sein mag und über den ja auch die biblischen Vorstellungen keineswegs einheitlich sind, ein Ort ist, an dem alles unvollständige und kaputte eines Menschenlebens aufgehoben und heil gemacht wird. Darauf möchte ich vertrauen. Und insofern glaube ich nicht, dass jemand, der oder die sich das Leben genommen hat, in der "Hölle" landet - eher würde ich annehmen, dass jemand, der so verzweifelt ist, dass er oder sie sich selbst etwas antut, in seinem Leben "höllisches" erlebt haben muss. Und deshalb hoffe ich darauf, dass Gott all dies sieht. Und liebt und hilft und eben nicht straft, sondern Frieden stiftet. "Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden" (Mt 5,4) ist ein biblischer Satz, der mich persönlich in diesem Zusammenhang leitet.

Wenn Sie sich noch ein wenig fundierter, als ich es Ihnen hier darstellen kann, mit der Thematik auseinandersetzen wollen, werden Sie beispielsweise hier fündig.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen!

Mit herzlichen Grüßen, Ihre Anna Scholz

 

 

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