Das Reformationsfest ökumenisch feiern?

Andrea W.
Foto: tournee - Fotolia/Stephan Tournee

Lieber Herr Muchlinsky,

wir sind in unserer Gemeinde gerade dabei, uns auf das Reformationsfest vorzubereiten. Dabei war für einen großen Teil unserer Gemeinde selbstverständlich, dass wir ökumenisch feiern möchten, weil wir hier ein sehr gutes Verhältnis zu unseren katholischen Geschwistern haben und weil sich viele Aktivitäten wegen der überschaubaren Größe unseres Ortes gemeinsam auch immer besser organisieren lassen z.B. Weltgebetstag, Bibelwoche, Martinsumzug etc.

Deshalb waren wir sehr erstaunt, dass die ökumenische Feier von einigen evangelischen (nicht den katholischen!) Gemeindemitgliedern strikt abgelehnt wurde. Wir wollen ja nicht die Unterschiede einebnen, aber doch gern das Verbindende feiern. Aber auch die freikirchlichen Gemeinden in unserem Ort sind nur sehr wenig offen für die Ökumene. Wie ist Ihre Meinung dazu, können Sie die Ablehnung der ökumenischen Feier verstehen? Ich bin gespannt auf Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen Andrea W.

Liebe Frau W.,

 

was Sie aus Ihrer Kirchengemeinde erzählen, spiegelt wider, was sich überall in unserer Kirche ereignet. Gerade in diesem Jubiläumsjahr gibt es seitens der evangelischen Kirche zwei Grundhaltungen: Die einen wollen die Eigenständigkeit feiern, den anderen geht es darum, das Verbindende zu betonen und sich der römisch-katholischen Kirche anzunähern. Wenn Sie sich die  Feierlichkeiten des Jubiläumsjahres anschauen, stellen Sie fest, dass sich auch dort beide Anliegen wiederfinden: Einerseits zeigt sich die evangelische Kirche stolz auf die Impulse, die von der Reformation ausgingen und schöpft daraus auch Identität. Andererseits wird immer wieder darauf hingewiesen, dass die Trennung der der Kirche durch die Reformation viel Leid hervorgebracht hat. Vielleicht liegt es daran, was jede und jeder persönlich erfahren hat, ob man mehr der einen oder der anderen Seite zuneigt.

 

Ich selbst habe eine Mutter, die katholisch aufwuchs und einen evangelischen Vater. Ich bin in einem Umfeld aufgewachsen, in dem es wenige Katholiken gab, und die Konfession auch keine große Rolle spielte. Konflikte gab es darüber in meiner eigenen Biografie überhaupt nicht. Vielleicht ist das ein Grund, warum ich das Gemeinsame von evangelischer und römisch-katholischer Kirche gerade nicht am Reformationstag betone. Ich fühle keine große Notwendigkeit zur Versöhnung, sondern freue mich an meinem Evangelisch-sein. Darum möchte ich gern betonen, welchen Fortschritt die Kirche durch die Reformation nahm. Wenn nun aber jemand käme und mir sagte: "Die Katholische Gemeinde in deinem Ort möchte sich an der Feier des Reformationstages beteiligen", so würde ich mich freuen und nach einem Weg suchen, auf dem wir gemeinsam das reformatorische Erbe feiern können. Dieses würde ich allerdings sehr betonen wollen, da sich die römisch-katholische Kirche als Weltkirche (eben katholisch im Wirtsinn: "allumfassend") versteht und darum dazu neigt, alles Christliche einzugemeinden. Dass sich evangelische Christen dagegen wehren möchten, kann ich verstehen.

 

Ich kann also einerseits nachvollziehen, wenn gerade evangelische Christinnen und Christen den Reformationstag sozusagen für sich behalten möchten. Andererseits könnte die gemeinsame Feier dieses Tages eine Chance sein, sich selbst bewusst zu werden, was evangelisch sein eigentlich für einen selbst bedeutet. Wir begehen sonst vielleicht eine hohle und leere Feier. Vielleicht fragen Sie diejenigen in Ihrer Gemeinde einmal, was für sie denn nicht der Reformationstag, sondern Evangelisch-sein bedeutet. Dann können Sie sich und die anderen fragen, ob man das mit den katholischen Schwestern und Brüdern feiern kann. Vielleicht hilft es ja auch, nicht die gesamte Feier gemeinsam zu gestalten. In diesem Jahr ist der Reformationstag ein gesetzlicher Feiertag. Da ist viel Zeit für einen gemeinsamen und einen Teil, den man allein begeht.

Darum lautet mein Fazit: Ich kann die Bedenken derer verstehen, die nicht gemeinsam feiern möchten Ich würde es bei den Bedenken allerdings nicht belassen wollen.

 

Herzliche Grüße!

Frank Muchlinsky

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