Lieber Herr Muchlinsky,
Da ich mich momentan sehr mit der Frage Sex vor der Ehe beschäftige, bin ich auf diesen Vers gestoßen. Ich wundere mich ob das jetzt nicht doch der Beweis ist, dass Sex vor der Ehe verboten ist.
Dieses Thema im allgemeinen macht mich sehr fertig, da ich Gott nicht untrei werden möchte, ich aber ungern bis zur Ehe warten würde. Ich würde es dennoch machen, aber eine nicht notwendige Enthaltung möchte ich auch nicht einhalten. Ich lese also viele Foren und Artikel, leider muss ich sagen, dass ich sehr Voreingenommen bin und ich mehr geöffnet bin gegebenüber den Pro-Sex Artikeln, wobei ich bei Kontra direkt schon negativ mit dem Lesen beginne. Also weiß ich nicht genau was ich glauben soll, ich konnte mich also momentan nicht von dem Sexverbot überzeugen. Ich bitte um Hilfe, dieses Thema zerreißt mich wirklich innerlich und ich ertappe mich, zu meinem Schrecken selbst dabei, wie ich denke, dass es nicht-christen besser haben. Ich hoffe sie können mir helfen.
Liebe Grüße,
Tim
Lieber Tim,
nein, die Bibelstelle in 5. Mo 22,13-29 ist kein Beweis dafür, dass Gott etwas gegen Sex vor der Ehe hat. Vielmehr ist es ein Beweis dafür, dass es Männer sind, die etwas dagegen haben, wenn ihre Frauen nicht als Jungfrau in die Ehe gehen. Schlimmer noch: Es sind Rechtsvorschriften, die Frauen davor schützen sollen, wenn Männer schlicht keine Lust mehr auf sie haben. Es sind Vorschriften darüber, dass Gott nicht auch noch Frauen dafür bestraft sehen will, wenn Männer sie ausnutzen.
Ja, auch in biblischen Zeiten wollten Männer gern Jungfrauen heiraten. Das ist aber lediglich ein deutliches Beispiel dafür, wie patriarchal die Gesellschaft strukturiert war. Der Mann will gern eine Frau im Bett, die noch keinen Sex hatte. Gott sagt dazu in der von Ihnen genannten Stelle: „Dann tu aber nicht so, als hätte sie bereits Sex gehabt, nur damit du dich von ihr scheiden lassen kannst.“
Darüber hinaus geht es in dem Abschnitt um Ehebruch und Vergewaltigung. Es finden sich keine Vorschriften darüber, was zwei Leute tun sollen, die nicht verheiratet oder verlobt sind. Außer, dass Sex auf keinen Fall erzwungen werden darf.
Es tut mir Leid für Sie, dass Sie das Gefühl haben, Ihr ganzer Glaube würde Ihnen wegen dieser Frage nach Sex vor der Ehe fremd. Das scheint mir aber vor allem daran zu liegen, dass Sie sich in Kreisen bewegen, die diese Frage völlig zu Unrecht zu einer wichtigen machen. Wer Gott ernst nimmt, macht ihn nicht zu einem Moralapostel, sondern schaut auf ihn als Hüter und Liebhaber der Menschheit. Darum: Lassen Sie sich nicht zerreißen von Ansichten, die Gott klein machen und einengen wollen.
Grübeln Sie lieber darüber nach, wie wir Menschen es schaffen können, einander und Gott die Ehre zu geben. Wie wir es schaffen können, der Tatsache gerecht zu werden, dass wir nach seinem Ebenbild erschaffen wurden. Wie wir in Frieden miteinander leben können. Wie wir mit Gottes Schöpfung gut umgehen können. Für solche Fragen ist Gott Mensch geworden. Und das sind auch die Aufgaben, an denen wir scheitern und für die wir immer wieder Vergebung brauchen.
Herzlichen Gruß!
Frank Muchlinsky