Sehr geehrter Herr Muchlinsky,
ich selbst bin katholisch, wie sich aus der weiteren Frage noch ergeben wird, möchte mich an dieser Stelle dennoch sehr gerne an Sie, als evangelischen Pastor wenden. Ich hoffe sehr, dass meine Frage ungeachtet dessen Gehör finden wird.
Ich bin seit über 4 Jahren mit meinem Freund zusammen. Wir haben uns in der Schule kennengelernt, doch glücklicherweise haben wir unsere Beziehung auch darüber hinaus erhalten können. Mein Freund ist evangelisch, was in unserer Beziehung leider aktuell zu Problemen führt. Ich studiere Lehramt mit dem Ziel, Grundschullehrerin in katholischer Religion zu werden. Sicherlich ist Ihnen bekannt, dass die kath. Kirche in einem solchen Fall erwartet, dass meine Kinder katholische getauft werden. Lange Zeit schien es so, dass mein Freund, obwohl er sehr überzeugter evangelischer Christ ist (und seine Haltung zur katholischen Kirche eher ablehnend), kein Problem damit hat, bzw. bereit sei, diesen Kompromiss für eine gemeinsame Zukunft einzugehen. Leider zeigte sich in letzter Zeit das Gegenteil. Durch ein Streitgespräch, kam heraus, dass er größere Probleme damit hat, als wir zunächst beide annahmen. Nach wochenlanger Bedenkzeit seinerseits, teilte er mir mit, dass eine katholische Taufe für ihn nicht möglich sei, und er sich (mehr oder weniger ausschließlich) aus diesen Gründen von mir trennen wird. Da wir uns beide sehr lieben und der Gedanke sehr schmerzt, entschieden wir, noch eine kurze Zeit zusammenzubleiben, um ein „schönes Ende“ für unsere jahrelange und glückliche Beziehung zu finden. Ich bin seitdem sehr traurig, habe Probleme mich auf mein Studium und mein Leben zu konzentrieren. Ich habe mich im Gespräch auch schon an Freunde und den Priester meiner Studentengemeinde gewandt. Auch habe ich versucht, ihn davon zu überzeugen, dass eine katholische Taufe nicht zwingend heißen muss, die Kinder auch rein katholisch zu erziehen. Ich selbst würde es gerne sehen, wenn Sie in unseren beiden Gemeinden und jeweiligen Jugendgruppen groß werden, beide Konfessionen kennenlernen und sich zu gegebenem Zeitpunkt für die Konfession zu entscheiden, die ihnen näher liegt. Wenn sie sich dann dafür entscheiden, evangelisch zu sein, würde ich mich (soweit ich das nun absehen kann) aus vollem Herzen für sie freuen. Ich möchte einfach nur, dass sie in ihrer Kindheit Gott kennenlernen. Die Frage nach der Konfession ist für mich nicht komplett unbedeutend, aber wirklich nur untergeordnet. Keinesfalls will ich meinen Freund zwingen, mit mir zusammen zu bleiben, oder gegen seinen Willen zu entscheiden. Ich wünsche mir eine Beziehung auf Augenhöhe, gegenseitiger Akzeptanz und geteilter christlicher Spiritualität. Ich möchte unsere Beziehung einfach nicht aufgeben...
Im Endeffekt können Sie meine Probleme nicht auflösen, was mir vollendens bewusst ist. Dennoch bitte ich Sie um Meinung und falls möglich um Rat. Sehen Sie eine Perspektive, die ich meinem Freund aufzeigen kann, damit er vielleicht nochmal darüber nachdenkt? Was ist Ihre Meinung als Pastor zu so einem Fall.
Ich bedanke mich im Voraus von Herzen für eine Antwort!
Freundliche Grüße,
Magda
Liebe Magda,
es tut mir herzlich leid zu lesen, dass Ihre Beziehung in Gefahr ist, und dass die Kirche dabei eine Rolle spielt, schmerzt mich umso mehr. Normalerweise spielen die Unterschiede zwischen evangelischer und römisch-katholischer Kirche nur eine geringe Rolle in einer Beziehung, aber wenn – wie in Ihrem Fall – ein Teil der beiden eine nicht verhandelbare Vorgabe hat, wird es doch wieder schwierig. Sie schreiben, dass ich vermutlich weiß, dass katholische Religionslehrer*innen ihre Kinder auch in einer katholischen Kirche taufen lassen müssen. Ich muss gestehen, dass ich es nicht wusste und auch recht bestürzt über diese Regelung bin.
Ich habe zwei Gedanken zu Ihrem Problem, die ich Ihnen gern schreiben möchte, und vielleicht ist es ja auch möglich, dass Ihr Freund das liest, denn ich wende mich auch an ihn als Mitglied meiner Kirche.
Der erste Gedanke ist dieser: Alle christlichen Kirchen, also auch die evangelischen Kirchen und die römisch-katholische Kirche erkennen die Taufe der jeweils anderen Kirchen an. So viel uns auch immer noch trennen mag, hier gibt es Einigkeit: Für die Taufe selbst spielt es keine Rolle, in welcher Kirche jemand getauft wurde. Alle Getauften sind Teil der Gemeinschaft, die durch Jesus Christus gestiftet wurde. Dass die katholische Kirche darauf besteht, dass Sie Ihre Kinder in einer katholischen Kirche taufen lassen, sagt darum noch nichts darüber aus, ob Sie Ihre Kinder ausschließlich katholisch erziehen. Ihre Idee, dass beide Kirchen in Ihrem Glaubensalltag vorkommen, ist schön und entspricht Ihrer Partnerschaft.
Sicherlich würden Ihre Kinder durch ihre Mitgliedschaft in der katholischen Kirche, durch Erstkommunion und Firm-Unterricht eine "gehörige Portion Katholisch" mitbekommen, aber das bedeutet nicht, dass Sie dem nicht auch ein "gerütteltes Maß Evangelisch" zur Seite stellen können, indem Sie entsprechende Gottesdienste besuchen, oder was Ihnen sonst alles einfällt. Ich könnte mir auch vorstellen, dass Sie mit der Taufe Ihrer Kinder warten, bis die selbst entscheiden können, welcher Kirche sie sich eher zugehörig fühlen. Vielleicht lässt sich Ihr zukünftiger Arbeitgeber ja darauf ein. Eine Nachfrage wäre es durchaus wert. Aber selbst, wenn man Ihnen da keinen Spielraum gibt, würde ich mich anstelle Ihres Partners durch diese Tatsache eher angespornt fühlen, nun erst recht meinen Kindern von meinem protestantisch geprägten Glauben zu erzählen.
Das bringt mich zu meinem zweiten Gedanken. Kann es sein, dass die Frage der Taufe Ihrer – immerhin noch nicht einmal geborenen – Kinder vor allem ein Ventil für einen Konflikt ist, den Sie miteinander austragen? So wichtig sicherlich die Entscheidung ist, wie man sein Kind taufen lässt, so besonders erscheint es mir doch, dass Ihr Partner sich – wie Sie schreiben – "mehr oder weniger ausschließlich aus diesen Gründen" von Ihnen trennen will. Vielleicht ist die Frage der Taufe der Kristallisationspunkt für Konflikte, die Sie bisher noch nicht direkt angesprochen haben.
Darum möchte ich Ihnen empfehlen, dass Sie einmal ausführlich über dieses Problem sprechen und sich dabei fragen, wofür es steht. Gibt es große Unterschiede in Ihren Vorstellungen für eine gemeinsame Zukunft, die Sie ahnen aber noch nicht ausgesprochen haben? Am besten wäre es, wenn Sie solch ein Gespräch mit jemand Drittem führen würden, der Ihnen hilft, die richtigen Fragen zu stellen. Sie schreiben, dass Sie einander sehr lieben. Das kann Motivation genug sein, sich solche Mühe zu machen.
Ich wünsche Ihnen von Herzen alles Gute!
Frank Muchlinsky