Abendmahlsempfang

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Sehr geehrter Herr Hunger,

wenn man sich alte Zeichnungen der Reformation anschaut fällt auf, dass der Empfang des Abendmahls kniend geschieht, auch weiß ich, dass dies in den 60er Jahren noch sehr üblich war das Abendmahl an den Kommunionsbänken kniend zu empfangen. In einigen Gemeinden erlebe ich das auch noch, aber oftmals sehe ich einen stehenden Empfang.

Seit wann wurde diese Praxis aufgegeben und was ist der (theologische) Hintergrund, will der moderne Mensch nicht mehr vor seinem Herrn knien?

Sehr geehrter Herr Schulz,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage, in der viele unterschiedliche Aspekte stecken: Drückt sich Frömmigkeit in der Körperhaltung aus? Wie ist unser Verständnis vom Menschen, der Gott gegenübertritt - und von Gott, wie er den Menschen sieht?

Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass es nie "die eine, richtige Haltung" gab, sondern eine Vielfalt von Möglichkeiten. In den ersten christlichen Gemeinden war es üblich, das Abendmahl im Rahmen eines gemeinsamen Essens zu feiern. Insofern ist es naheliegend, dass man zum Abendmahlsempfang nicht den Platz wechselte und sich extra hinkniete, sondern an seinem Platz blieb. - Noch bis ins dritte Jahrhundert n.Chr. hinein war es bei Abendmahlsfeiern im Gottesdienst üblich, dass die Gläubigen Brot und Wein selbst vom Altar nahmen. Später gab es dann zwei unterschiedliche Arten der Austeilung, nämlich entweder so, dass man vor den Altar trat und dort Brot zum Essen in die Hand bekam und Wein aus dem Gemeinschaftskelch trank, oder indem die Elemente entsprechend in den Reihen ausgeteilt wurden. - In den katholischen Kirchen spielte das Knien generell eine größere Rolle im Gottesdienst. Die lutherischen Kirchen haben dies - wie ja auch generell viele liturgische Gewohnheiten - teilweise übernommen, und manche Kirchen handhaben es heute immer noch so. Andere Kirchen gingen andere Wege: in der reformierten Tradition wurde der Gottesdienst von vielem befreit, was nicht blblisch belegt werden konnte, und darunter fiel auch das Knien beim Abendmahl.

Seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts gibt es Bewegungen zu einer Reihe von Liturgiereformen und liturgischen Aufbrüchen, die oft die Bedeutung der feiernden Gemeinde stärker betonen. So wurde auch das Knien beim Abendmahl immer mehr hinterfragt. Mit dem Knien verbunden war ja auch oft die Praxis, dass man das Brot vom Pastor auf die Zunge gelegt bekam. Beides, das Knien und die Form des Brotempfangs, vermittelt stark den Eindruck eines hierarchischen Gefälles zwischen Pastor*in und Gemeindeglied, und ein solcher Unterschied wurde (wie ich meine: mit Recht) immer mehr hinterfragt. Knien kann durchaus noch seinen Platz haben, aber ich selbst würde diesen Platz eher im persönlichen Gebet sehen als in liturgischen Handlungen wie dem Abendmahl.

"Will der moderne Mensch nicht mehr vor seinem Herrn knien?", fragen Sie. Ich möchte mit einer Frage antworten: Wie treten wir Gott gegenüber - als Menschen, die das Gefühl haben, sich klein machen zu müssen, oder als Menschen, die aufrecht stehen können, weil sie glauben, dass sie trotz aller Fehler erlöst und angenommen sind? Denn beim Abendmahl zu stehen kann ja auch bedeuten: Wir müssen uns nicht mehr klein machen, denn wir treten vor Gott als eine Gemeinschaft von Menschen, die vor Gott alle gleich sind - weil Gott uns befreit.

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