Ist Intimität vor der Ehe erlaubt?

Ela

Ich bin in einer Beziehung. Wir beide möchten in ein paar Jahre heiraten. Jedoch sind wir uns nicht sicher, wie weit Intimität vor der Ehe in Ordnung geht. Wie weit darf man gehen? Was sagt Gott dazu?

Liebe Ela,

herzlichen Dank für Ihre Frage!

Es freut mich, dass Sie in einer glücklichen Beziehung sind und heiraten möchten. Die Liebe ist ein Geschenk Gottes.

Wie es mit Intimität vor der Eheschließung aussieht, ist eine Frage, die uns recht häufig gestellt wird. Deswegen verweise ich hier noch auf die Antwort meines Kollegen Frank Muchlinsky und auf zwei Artikel von Reinhard Mawick und Kerstin Söderblom.

Die Frage ist insofern gar nicht mal so leicht zu beantworten, weil das ein wenig auf Ihre Frömmigkeit ankommt, darauf, in welcher christlichen Gemeinde Sie sich beheimatet fühlen. Manche eher konservative bzw. evangelikale Kirchengemeinden werden Ihnen also die Frage so beantworten, dass es nicht erlaubt ist, vor der Trauung intim zu werden. Wenn Sie sich in einer solchen Gemeinde befinden, sollten Sie also erst einmal mit den Menschen reden, die Sie dort kennen und Ihre Argumente anhören.

Wir hier auf evangelisch.de vertreten eine kirchlich als liberal bezeichnete Position. Und daher kann ich frei sagen: Ja, jede Form von einvernehmlicher Intimität ist auch vor der Eheschließung erlaubt. Sie können auch vor der Trauung zusammen wohnen, miteinander ausprobieren, wie Sie miteinander zusammen passen - und eben auch schauen, ob Sie "im Bett" miteinander harmonieren.

Der Grund dafür ist folgender: Die Ehe war in biblischen Zeiten vor allem eine wirtschaftliche Institution, es ging um Erben, es ging aber auch um die Absicherung von Frauen, die ohne Heirat mittellos da standen. Die biblische Ehe hat nichts mit unserem heutigen Eheverständnis zu tun, die Vorstellung einer Liebeshochzeit entstand erst im 19. Jahrhundert. In Zeiten der Bibel konnte der Mann auch mehrere Frauen heiraten, es gab eine Art Leihmutterschaft und vieles mehr, was nach deutschem Recht heute nicht mehr möglich wäre. Die Frau war quasi das Eigentum des Mannes. So wirklich biblische Argumente gegen Intimität vor der Ehe gibt es also nicht. In der römisch-katholischen Kirche wurde die Ehe aus ähnlichen Gründen jahrhundertelang als heilig betrachtet. Auch hier ging es wieder um den Nachwuchs. Für Martin Luther allerdings ist die Ehe "ein weltlich Ding", es gehört in den staatlichen Bereich. Konservative Christinnen und Christen wiederum votieren heutzutage, vor allem in Amerika, für strenge Regeln. "Wahre Liebe wartet".

Aus liberaler protestantischer Sicht ist die Ehe natürlich trotzdem wundervoll, eben ein Geschenk Gottes, wenn sie glücklich ist. Auch für alle anderen Beziehungen gilt, sie sollen verantwortungsbewusst geführt werden, in gegenseitiger Achtung, zwischen "erwachsenen" Menschen mit gegenseitigem Einverständnis. Niemand darf zu etwas gezwungen werden, was er oder sie nicht möchte (nein heißt nein!), stattdessen ist Konsens wichtig, Sexualität auf Augenhöhe. Dazu gehören Kommunikation und Ehrlichkeit. Regeln, die Sie sich einander in der Beziehung geben.

Ich wünsche Ihnen alles Gute,

bleiben Sie behütet,

Johanna Klee

 

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