Hallo Frau Scholl,
dass Atheisten die Existenz Gottes verneinen ist mir klar. Aber wie erklären sie die Existenz der Bibel? Wer hat sie aus atheistischer Sicht erfunden und zu welchem Zweck? Welcher fleißige Schreiber soll einen Nutzen daraus gezogen haben? Die großen Kirchen sind ja erst viel später entstanden, demnach wäre es unlogisch, dass die Kirchen die Bibel erfunden haben sollen, um Geld einzutreiben und Menschen zu unterwerfen. Wenn die Bibel niemandem „nützt“ außer dem, der da glaubt, weshalb sollte sie erfunden sein? Ich verstehe die Sicht der Atheisten da einfach nicht.
Liebe Grüße,
Mirja
Liebe Mirja,
ein interessantes Thema, über das Du Dir Gedanken machst. Die Grundfrage ist ja sehr alt und hat viele kluge Köpfe bewegt. Warum entsteht überhaupt etwas wie Religion und im Zuge dessen auch religiöse Schriften wie die Bibel. Wir kennen keine Kultur, die ohne ein religiöses Fundament auskommt.
Wenn in menschlichen Kulturen so flächendeckend die Frage nach Gott entstehen kann, ist es doch naheliegend, dass es diesen Grund unseres Lebens auch wirklich gibt. Religionskritiker wie Feuerbach würden hingegen sagen, es handelt sich dabei um eine Projektion. Angesichts seiner Endlichkeit projiziert der Mensch seinen Wunsch nach Ewigkeit auf einen ewigen Gott.
Auf den allerersten Blick schaue ich als gläubige Christin gar nicht anders auf die Bibel als es eine Atheistin tut. Die biblischen Schriften sind von Menschen geschrieben. Das würde ich genauso sagen wie eine Atheistin. In den Erzählungen verarbeiten Menschen die ganz grundlegenden Fragen nach dem Leben, dem Sterben, nach sich selbst und der Welt. Eine Atheistin, die sich dafür interessiert, wie Menschen sich durch die Geschichte hindurch den großen Sinnfragen zugewandt haben, kann durchaus mit Begeisterung die Bibel studieren und sie als ein religionsgeschichtliches Zeugnis wahrnehmen.
Der wesentliche Unterschied zwischen mir und einer Atheistin, welche die Bibel in der Hand hält, ist der, dass ich davon ausgehe, dass Menschen deshalb diese Texte geschrieben und sich diesen großen Fragen zugewandt haben, weil sie Erfahrungen mit Gott gemacht haben. In diesem Sinne ist für mich die Bibel einerseits auch ein historisches Zeugnis, durch das ich etwas über vergangene Kulturen lernen kann, andererseits klingen für mich als Glaubende beim Lesen und Hören der biblischen Erzählungen eigene Erfahrungen mit Gott an.
Es gibt Dinge, über die können wir nur reden, indem wir Geschichten erzählen. Dass Menschen solche Geschichten schreiben, bedeutet keineswegs, dass sie nicht bedeutsam sind. Vieles ist nicht historisch, was in der Bibel geschildert wird und dennoch ist es bedeutsam, weil diese Geschichten wie ein Spiegel für das sind, was Menschen im innersten bewegt. Als Christin nenne ich das Gott.
Ich hoffe, ich konnte Dir ein wenig weiterhelfen bei Deiner Frage. Frag doch vielleicht bei Gelegenheit mal Jemanden, der sich selbst als Atheisten bezeichnet, was er über die Bibel denkt. Ich wäre gespannt auf die Antwort.
Herzliche Grüße
Katharina