Kann mit Hure Babylon nicht auch das Internet gemeint sein?
Lieber Herr Dietrich,
die kurze Antwort wäre: Ja, bestimmt. Schließlich wurde das Babylon der Offenbarung des Johannes in der Kirchengeschichte schon so mit ziemlich Vielem identifiziert. Warum dann nicht auch das Internet.
Um Ihre Frage etwas genauer zu beantworten, müssen Sie zuerst klären, als was sie die Offenbarung verstehen wollen. wie Sie die Johannesoffenbarung lesen wollen. Darüber haben schon viele kluge Theolog:innen nachgedacht und gerade im Falle der Johannesoffenbarung ist das nicht so einfach. Sie ist ja schließlich als Vision eines nicht näher definierten Johannes definiert und blickt auf das Ende der Welt. In nahezu jedem Jahrhundert gibt es dann auch Menschen, die die im Johannesevangelium beschriebenen Ereignisse auf die jeweils gegenwärtige Situation beziehen wollen. Dazu gehört auch nicht viel, denn die Bilder und Vergleich in der Johannesoffenbarung sind so offen angelegt, dass sich zu jeder Zeit ein passendes Ereignis oder Feindbild finden lässt, auf das die Johannesoffenbarung angewandt werden kann. Etwas zugespitzt formuliert: Irgendeinen apokalyptischen Reiter kann man immer durch die Welt reiten sehen. Der Blick auf die Geschichte zeigt uns aber auch, dass das Suchen nach Hinweisen auf eine kommende Endzeit nur wenig fruchtbar sind. Alle Gläubigen, die glaubten, die Visionen der Johannesoffenbarung träfen auf ihre Generation zu, mussten erkennen, dass der Weltuntergang doch nicht gekommen war. Und auch die Bibel selbst hält wenig davon, Zeichen für das kommende Weltende genau bestimmen zu wollen. Gottes Kommen in diese Welt ist für uns Menschen nicht berechenbar oder, wie es das Matthäusevangelium ausdrückt: Der Menschensohn kommt zu einer Stunde, da ihrs nicht meint (Matthäus 24,44).
Sie sehen: Ich wäre sehr vorsichtig damit, biblische Vergleiche und Bilder direkt auf die Gegenwart zu beziehen. Johannes hatte, als der seine Vision zu Papier brachte, vermutlich das römische Weltreich vor Augen, als er von der Hure Babylons sprach.
Ich glaube aber trotzdem, dass wir etwas mit der Offenbarung anfangen können, auch wenn ich es nicht sinnvoll finde, jedes dort beschriebene Bild direkt übersetzen zu können. Vielleicht reicht es, wenn wir unter Babylon alles das summieren, das Menschen leiden lässt und lebensfeindlich ist. All das soll nämlich mit dem Kommen Gottes vernichtet werden und kein Tod, Leid, Hunger mehr ein (Offenbarung 18,8).
Das Internet bringt beides: viel Leid durch Hasskommentare und Fake News. Aber auch Gemeinschaft durch kreativen Austausch, Vernetzung von Gleichgesinnten, neuen Gemeindeformen und gemeinsamen Gebeten und Gottesdienstformen. Es wäre also zu einfach, das Internet mit der Figur des Lasters und der Sünde, Babylon 1:1 zu setzen. Es ist komplizierter, weil der Mensch und die Welt komplizierter sind und wir überall Gottes Glanz neben tiefen Abgründen finden.
Aber wir können aus der Johannesoffenbarung die Hoffnung schöpfen, dass all diese Abgründe bei Gott nicht mehr sein werden und wir ganz in seinem Glanz und seiner Herrlichkeit sind. Dafür müssen wir gar nicht ganz genau wissen, was diese Hure Babylons eigentlich genau ist.
Ich hoffe, meine Antwort konnte Ihnen weiterhelfen,
Herzliche Grüße,
Felix Weise
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