Wann ist der richtige Moment für das Lied "Stille Nacht"?

Günter Hammerle

Ist es richtig, dass das Lied Stille Nacht...heilige Nacht NICHT vor Heilig Abend gesungen werden darf? Dies sei von EVANGELISCHER Seite auch an Adventstagen (wie z.B. bei advents-weihnachtlichen Konzerten in Seniorenheim usw.) nicht erlaubt bzw. "erwünscht". Da erlebe ich, dass gerade die "alten Gläubigen" darauf sehr großen Wert legen. Einfache Frage?

Lieber Günter, 

vielen Dank für Ihre Frage zu einem weihnachtlichen Thema. Zunächst meine spontane Antwort an Sie: Es gibt in unserer Kirche keine Instanz und keine Befugnis, die den Menschen das Singen dieses Liedes verbieten will und kann. Weihnachten lebt nicht von Verboten, Weihnachten lebt von der Freiheit. Denn Gott nimmt sich ja selbst die Freiheit, seinen Himmel in Richtung Erde zu öffnen und Mensch zu werden.  Es widerspräche dem Geist des Festes, den Seniorinnen und Senioren im Heim oder in adventlichen Konzerte das Singen des Liedes außerhalb des Weihnachtsfestes zu verbietet. 

Antwort an Sie: Nicht erlaubt gibt es nicht! 

Doch Ihre Frage trifft auf eine aktuelle Diskussion. Am 24. November  2025 trat die "Stille Nacht Gesellschaft" an die Presse und bat darum, diesen Klassiker des Weihnachtsfestes vor kommerzieller Ausbeutung zu schützen. Dieser - übrigens nicht kirchliche - Verein bittet, dass man dieses Lied nicht vor dem Heilig Abend singen singen möge. So äußerte sich der stellvertretende Vorsitzenden der "Stille Nacht Gesellschaft" in einem Interview. Die "Stille Nacht Gesellschaft" hat ihren Sitz in Oberndorf bei Salzburg  - dort wurde das Lied zum ersten Mal gesungen - und sich zum Ziel gesetzt hat, über das Lied und dessen Entstehung zu forschen und die authentischen Fassungen des Liedes zu verbreiten. Authentisch sei, so die "Stille Nacht Gesellschaft", "Stille Nacht" nur am Heiligabend zu singen. Die Begründung ist recht einfach: Am Heiligabend 1818 erklang "Stille Nacht" zum ersten Mal am Heiligabend, das solle so bleiben. Und: Man will dieses Lied vor dem großen Kommerz schützen, es soll nicht als Hintergrundmusik ununterbrochen in den Einkaufszentren  laufen um die Kauflaune anzuregen.  

Es geht der "Stille Nacht Gesellschaft" also nicht darum Seniorinnen und Senioren und die Chöre zu maßregeln. Jedes Verbot würde doch die Vorfreude auf Weihnachten beschädigen. Also: Bitte singen Sie "Stille Nacht", stimmen es an, kräftig, fröhlich, nachdenklich, zur Orgel, zum Klavier, oder - wie im Original - leise zur Gitarre. Nehmen Sie sich die sprichwörtliche Freiheit eines Christenmenschen. 

Schlussbemerkung: Als Mitte des letzten Jahrhunderts das Evangelische Kirchengesangbuch (EKG) erschien, fehlte "Stille Nacht" in diesem ersten gemeinsamen Gesangbuch, das nach dem Krieg erschien. Nach und nach wurde das Lied dann in die Regionalausgaben und Anhänge vieler Landeskirchen aufgenommen und vor rund 30 Jahren - endlich - zum Stammlied des Evangelischen Gesangbuchs (EG), das in den 90ger Jahren eingeführt wurde. Früher hielt man das Lied für ein Volkslied und war der Meinung, Volkslieder sollten nicht in die Sammlung der großen weihnachtlichen Choräle aufgenommen werden. Zum Glück sind solche Zeiten vorbei, Gemeinden lassen sich nicht mehr von den Theorien irgendwelcher Landeskirchenmusikdirektionen bevormunden. In vielen Kirchengemeinden wird das nächste Gesangbuch erprobt, das in Kürze erscheinen soll. "Stille Nacht" ist jetzt fest im Gesangbuch verankert. Ich bin auf neue weihnachtliche Lieder gespannt und hoffe auf neue geistvolle Lider. 

Eine gesegnete Advents- und Weihnachtszeit wünsche ich Ihnen, Ihr Henning Kiene 

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