Der Sohn meines Mannes hat mir gesagt, dass er geklaut hat, irgendwas im Media-Markt, erwischt worden ist er nicht. Er möchte nicht, dass ich es jemandem weitererzähle, mein Mann weiß nichts davon. Was soll ich tun?
Liebe Hin- und Hergerissene,
das ist eine schwierige Situation, Sie sitzen offensichtlich zwischen allen Stühlen. Schauen wir uns die verschiedenen Aspekte Ihrer Frage einmal an:
Der junge Mann hat Vertrauen zu Ihnen, das ist schön. Gleichzeitig bedeutet seine Beichte eine Bürde für Sie. Er hat sein schlechtes Gewissen erleichtert, toll, und nun? Kinder - Erziehung hört nie auf und findet immer statt, denn sie bedeutet in erster Linie Vorbild zu sein, egal ob es sich um das leibliche Kind handelt oder nicht. Sie sind jetzt mit im Boot, obwohl Sie nicht die leibliche Mutter sind. Wie gut, dass Sie diese Verantwortung spüren und sich Gedanken machen, bzw. um Rat bitten.
Meine erste Überlegung ist: Warum wollte er das geklaute Ding unbedingt haben? Was hat er davon? Will er gut ankommen bei seinen Freunden? In diesem Fall sollten Sie Ihrem Patchwork- Sohn klarmachen, das Diebstahl bei richtigen Freunden wenig ankommt und Besitz von Dingen zwar cool wirken kann, aber keinen Hinweis gibt auf wirkliche Coolness. Fragen Sie ihn ruhig, welches Bild er von sich zeigen möchte.
Die nächste Frage lautet: Bekommt er zu wenig Taschengeld und/oder wird er sehr kurz gehalten in Punkto Geschenken? Dann schlagen Sie ihm die beste aller Möglichkeiten vor. Er möge doch bitte Geld dazu verdienen, vielleicht durch Zeitung austragen oder Extra-Arbeiten im Haushalt wie Auto waschen, Rasen mähen, Schränke auswischen, Fenster putzen ect. Reden Sie mit Ihrem Mann über Möglichkeiten dieser Art. So lernt er den Wert des Geldes kennen.
Eine weitere Möglichkeit der Ursachenforschung besteht darin, gemeinsam mit Ihrem Mann auf die Suche nach den Werten gehen, die Sie den Kindern vermitteln, bzw. er und seine erste Frau vermittelt haben. Was ist/ war wichtig in der Familie? Gemeinsame Zeit, Spiel, Spaß, Gespräche, Offenheit? Oder standen die materiellen Dinge im Vordergrund und haben entscheidend das Selbstbild der Familie geprägt? Was könnten Sie verändern, um den Fokus auf das Sein und weniger auf das Haben zu legen?
Die dritte Frage, die mir in den Sinn kommt, ist: Will er auf sich aufmerksam machen? Bekommt er zu wenig Beachtung von Ihnen, den Erwachsenen? Sie merken spätestens jetzt: es geht nicht ohne Ihren Mann. Er muss es erfahren, denn so eine Situation kann nur innerhalb der Familie geklärt werden, denn der Junge steht ja nicht alleine, sondern hat seine Wurzeln, seine Bezugspersonen und reagiert auf das, was ihn umgibt.
Kleiner Einschub: Vielleicht haben sich alle beteiligten Erwachsenen auch sehr viel Mühe gemacht mit dem Sohn und er hat einfach so mal Mist gebaut? Das ist doch sicher verzeihlich. Aber auch in diesem Fall ist das diskussionswürdig und liebevoll- konsequent zu behandeln, damit der Junge lernt, was es heißt ehrlich und eigenverantwortlich zu handeln. Und damit er merkt, dass Sie alle ihn wichtig nehmen und er eingebunden ist in eine (Patchwork-) Familie.
Es geht hier auch um das große Thema Ehrlichkeit. In der Familie, aber auch in Ihrer Partnerschaft. Sie können die nötigen Konsequenzen doch gar nicht alleine in Gang setzen. Es wäre auch schlicht unfair, müssten Sie die Bürde alleine tragen. Diese Lage ist für Sie alle ein kleiner Schleifstein in Richtung Zusammenhalt und eines offen-partnerschaftlichen Umgangs miteinander. Wenn Sie die Chance nutzen, kann daraus viel Gutes entstehen.
Reden Sie als erstes alleine mit dem Patchwork- Sohn, dann mit Ihrem Mann unter vier Augen und die dritte Unterredung könnte danach mit allen zusammen stattfinden. Wenn die Mutter des Jungen dazu kommen kann, ist das sicher gut. So sieht der Junge, dass alle an einem Strang ziehen, wenn es nötig ist und wichtig wird. Dann sprechen Sie bitte vor dem gemeinsamen Gespräch auch mit ihr, oder Ihr Mann macht das, je nach Beziehungslage.
Ein letzter Tipp: Ihr Sohn sollte in jedem Fall beim Team des Marktes um Entschuldigung bitten. Denn dadurch dass solche Dinge vorkommen, leben die Mitarbeiter dort immer in einer Atmosphäre des Misstrauens. Und das macht auch noch mal deutlich, dass keine unserer Handlungen ohne Konsequenzen bleibt. Wenn wir daneben hauen, ist das menschlich, das passiert jedem auf die eine oder andere Art. Entscheidend ist, wie wir danach damit umgehen.
Nun wünsche ich Ihnen viel Kraft für die anstehenden Gespräche und danke für Ihr Vertrauen.
Herzlich
Ihre Heike Bauer- Banzhaf