Hallo Herr Pastor Muchlinsky!
Ich hätte da mal eine Frage!
In Deutschland ist der erste Sonntag im Oktober als Erntedankfest von der Bischofskonferenz (1972) festgelegt worden. Die Gemeinden sind aber n i c h t verpflichtet, dieses Fest auch zu feiern.
In evangelischen Gemeinden ist der Michaelistag (Montag, 29. September 2014) "eigentlich" der Erntedank-Festtag.
Heutzutage ist die kirchliche Erntedankfeier in das Herrenjahr und in den sonntäglichen Gottesdienst integriert und somit ein fester Bestandteil im Kirchenjahr (mit regional abweichenden Terminen) geworden - sogar mit einer liturgischen Farbe -
Warum eigentlich?
Was ist aus der Freiwilligkeit geworden?
Gibt es einen neuen Beschluß der Bischofskonferenz, woraus ersichtlich ist, dass nun endgültig Schluss ist mit dem eigenen Willen?
Jahrhundertelang konnte das Erntedankfest ohne Druck und ohne Zwang, einfach so, ungefragt, formlos und frei begangen werden. Mit Ausnahme der NS-Zeit.
Jetzt "muss" das Erntedankfest wohl oder übel gefeiert werden. Kennen Sie die Hintergründe?
Lieber "GAST",
Das Erntedankfest gehört weder für die katholische Kirche noch für die evangelische zu den "großen" Festen, also zu denen, die für unseren Glauben eine große Bedeutung haben, wie Ostern, Pfingsten oder Weihnachten. Dass die Kirchen in Deutschland dieses Fest trotzdem feiern, kommt daher, dass unser Land ausgesprochen landwirtschaftlich geprägt war. Erntefeste gehören auch in anderen Religionen wie zum Beispiel im Judentum bereits zum Jahreszyklus. Das Christentum hat die verschiedenen Traditionen, für die Ernte zu danken, gern übernommen, nur war es eben nicht so wichtig, dass man den Termin nicht ab und an verschieben konnte. (In der evangelischen Kirche hat der Erntedanksonntag übrigens keine eigene liturgische Farbe. Er ist grün wie die ganze Trinitatiszeit.)
Dennoch, als kirchliches Fest gab es immer Regeln dafür, wann Erntedank zu feiern ist. Ich weiß nicht, wie Sie darauf kommen, Erntedank wäre jahrhundertelang "einfach so, ungefragt, formlos" gefeiert worden. Wenn man ein jährlich wiederkehrendes fest feiern will, tut man das am besten, indem man es in seinen Kalender einträgt, damit man sich entsprechend darauf vorbereiten kann. Das tut das Judentum bereits seit vielen Jahrhunderten wie das Christentum auch. Nur, dass wir Christen eben an dem Termin immer mal wieder ein wenig "gedreht" haben. Das macht auch Sinn, wenn man bedenkt, dass auf der Erde zu ganz unterschiedlichen Zeiten geerntet wird.
In Deutschland hat die katholische Kirche (also die Bischofskonferenz) wie Sie richtig sagen 1972 beschlossen, dass der erste Sonntag im Oktober ein passender Zeitpunkt ist. 2006 beschloss die EKD im Prinzip das gleiche, denn hier lautet die Regel: Erntedank wird von unserer Kirche am ersten Sonntag nach Michaelis gefeiert, es sei denn, Michaelis fällt auf einen Sonntag. Faktisch bedeutet das: Erntedank ist in Deutschland (!) auch in der evangelischen Kirche am ersten Sonntag im Oktober.
Bedenken Sie bitte, dass ich hier vom kirchlichen Erntedankfest rede. Da ist es nicht verwunderlich, dass die entsprechenden Gremien festlegen, wann es gefeiert wird, oder? Wenn ein Landwirt gern eine Dankesfeier für seine Ernte im Dorf machen will, die nicht kirchlich gebunden ist, kann er sich jeden Termin aussuchen, den seine Arbeit zulässt. Ach ja noch etwas: Ob eine Gemeinde Erntedank feiern will oder nicht, ist immer noch ihr selbst überlassen. Die Kirchen geben lediglich den Termin vor.
Herzlichen Gruß
Frank Muchlinsky