Hallo lieber Pastor Frank Muchlinsky,
Mein Name ist Verena Beetz, ich bin 18 Jahre alt und ich befinde mich momentan in der Vorbereitung meiner mündlichen Präsentationsprüfung, also dem mündlichem Abi. Ich halte diesen Vortrag im Fach Religion und mein Thema lautet: "Bis dass der Tod uns scheidet..." - Scheidung in katholischer und evangelischer Sicht.
Ich habe mir einige Bücher ausgeliehen und natürlich auch im Internet gesurft und so bin ich auf Ihre Seite gestoßen. Ich habe noch bis zum 17. Juni Zeit zum Fertigstellen meiner Präsentation und würde Sie gerne um einige Antworten bitten. Besonders wichtig für mich sind Bibelstellen, die Hinweise oder Gesetze zur Scheidung beinhalten. Matthäus 5, 32 ist ein ganz berühmter Auszug, doch da gibt es doch bestimmt noch mehr? Mal ganz im Allgemeinen, wie verhalten sich die beiden Kirchen gegenüber Geschiedenen? Werden sie trotzdem von der Kirche, und vor allem von der Gemeinde, akzeptiert? Wie sieht es aus mit Wiederheirat und Anerkennung dieser? Oft wird von der Zulassung zur heiligen Kommunion der katholischen Kirche gesprochen. Was hat das mit Scheidung zu tun? Darf ein Geschiedener nicht mehr am Abendmahl teilnehmen? Können Sie mir Zahlen nennen (von Scheidungen, Heirat oder Nichtigkeitserklärungen)? In ihrer Stadt oder Landesweit? Ich bitte um baldige Antwort und danke für Ihre Aufmerksamkeit für meine Nachricht im Voraus.
Mit freundlichen Grüßen
Verena Beetz
Liebe Frau Beetz,
Der große Unterschied im Eheverständnis zwischen evangelischer und römisch-katholischer Kirche ist, dass nur die katholische Kirche die Ehe zwischen Mann und Frau als ein "Sakrament" versteht, also um eine Handlung, bei der Gott unsichtbar aber doch direkt beteiligt ist. Das Bistum Mainz schreibt auf seiner Homepage dazu:
"In der katholischen Kirche ist die Ehe eines der sieben Sakramente. Sie ist ein Zeichen für die Liebe Gottes zu den Menschen. In der Liebe der Eheleute wird diese Liebe Gottes zu den Menschen sichtbar. Zugleich ist der menschliche Bund der Ehe Abbild des ewigen Bundes, den Gott mit den Menschen schließt." Link
Wenn also zwei Menschen sich katholisch trauen lassen, "spenden" sie einander dieses Sakrament, dieses "Zeichen für die Liebe Gottes zu den Menschen". Dieses Sakrament ist nach katholischem Verständnis unauflösbar, ähnlich wie die Taufe, die auch ein Sakrament ist und für immer gilt, ganz egal, ob jemand sich von der Kirche abwendet oder nicht. Wenn jemand aus der Kirche aus- und später wieder eintritt, wird es auf keinen Fall noch einmal getauft. Im Fall der Taufe sieht das die evangelische Kirche auch so, im Fall der Trauung nicht. Nach evangelischem Verständnis ist die Ehe zwar durchaus eine gute Gabe Gottes, aber letztlich eine weltlich Angelegenheit, die auch nicht in der Kirche besiegelt wird, sondern auf dem Standesamt. In einer evangelischen Trauung geht es vor allem darum, dass die beiden Brautleute sich zueinander bekennen und dass sie und ihre Ehe gesegnet werden. Ehe ist nach diesem Verständnis kein Sakrament.
Nun noch einmal zur Unauflöslichkeit der Ehe. Die wesentliche Bibelstelle hierzu ist Mt 19,4-6: "Er (Jesus) aber antwortete und sprach: Habt ihr nicht gelesen: Der im Anfang den Menschen geschaffen hat, schuf sie als Mann und Frau und sprach (1.Mose 2,24): »Darum wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und an seiner Frau hängen, und die zwei werden "ein" Fleisch sein«? So sind sie nun nicht mehr zwei, sondern "ein" Fleisch. Was nun Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden!" (Link zur Online Bibel) Diese Verse sind fester Bestandteil eines Traugottesdienstes – und zwar evangelisch wir katholisch. Beide Kirchen sehen die Ehe als etwas, das nicht auf Zeit angelegt ist, sondern auf den Rest des Lebens. Der Unterschied besteht eben in der Frage, ob es sich um ein in jedem Fall unauflösliches Sakrament handelt oder nicht.
Wenn nun jemand sich scheiden lässt, so begeht er nach katholischem Verständnis eine Sünde, also eine Verfehlung gegen Gott. Das Problem mit der Kommunion, mit dem Abendmahl entsteht aber erst, wenn jemand sich wieder verheiratet, denn – logische Konsequenz, wenn man eine Ehe eigentlich nicht scheiden kann – wer erneut heiratet, begeht im Grunde ständig Ehebruch. Wer nun zur Kommunion gehen will, muss vorher beichten, um seine Sünden loszuwerden (wie gesagt, nach katholischem Verständnis), denn man soll sündlos am Abendmahl teilnehmen. In der Beichte aber muss man versprechen, die aktuelle Sünde nicht zu wiederholen. Das kann aber gar nicht gehen, wenn man wieder verheiratet ist, denn das ist ja – wie erwähnt – ein sündiger Zustand. So kommt es, dass in der katholischen Kirche wiederverheiratete Menschen in der Regel nicht zur Kommunion eingeladen werden. Wie Sie vielleicht mitbekommen haben, hat der derzeitige Papst hier seine (also die römisch-katholische) Kirche dazu aufgerufen, hier etwas mehr Spielraum zuzulassen. Man kann also gespannt sein, was sich auf diesem Feld bewegen wird.
So, Sie hatten noch um Bibelstellen gebeten, und eine habe ich Ihnen gegeben (bzw. bereits zwei, wenn man 1. Mose 2,24 hinzuzählt, was Jesus zitiert). Machen Sie sich klar, dass Jesus sich – wenn er mit Gelehrten über die Scheidung redet – über jüdisches Recht unterhält. Dazu gibt es natürlich im Alten Testament diverse Stellen, doch sind sie für die christliche Praxis 2000 Jahre spätere nicht sehr relevant – und ich denke, für Ihre Präsentation auch nicht. Dennoch ist es spannend, sich da einmal einzulesen. Ich empfehle Ihnen den Artikel "Ehe" im Wissenschaftlichen Bibellexikon (Wibilex). Hier ist er.
Und nun soll es aber reichen. Sie sollen ja auch noch selbst etwas schaffen für Ihr Abi. ;-) Zu Ihrer Frage nach den Statistiken kann ich Ihnen leider nichts sagen.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg!
Frank Muchlinsky