Apokalypse ... Now?

Anna

Eine Freundin von mir, zwar offiziell Landeskirchlerin besucht oft freikirchliche Gottesdienste. Ich selbst habe vor über 30 Jahren ev. Theologie, aber ohne Abschluß studiert. Wir sind dann in eine für mich unangenehme Situation geraten.Wir diskutierten über das Weltgeschehen: Ukraine- und Griechenlandkrise, erneutes Säbelrasseln zwischen NATO und Russland, ungerechte Vermögensverteilung. Sie meinte, daß man an diesen Dingen Anzeichen für Harmageddon und die Wiederkunft Jesu in der nächsten Zeit sehen würde.

Ich mag solche Äußerungen gar nicht - befürchte aber auch große politische, kriegerische und wirtschaftliche Verwerfungen. Sie war schockiert, als ich sagte, daß ich niemals über diese Zeichen aus der Offenbarung nachdenke, sie haben für mich keinerlei Relevanz. Sie konnte dies nicht verstehen, ich habe doch Theologie studiert und das stünde doch so in der Bibel. Als ich sagte, daß gerade weil ich es studiert habe, sagen kann, daß es in den Universitäten nicht als wichtiger biblischer oder gar dogmatischer Lehrinhalt in den Vorlesungen war. Und das sehr viele Theologen meiner Generation nicht mit einer solchen apokalyptischen Katastophe mit Jesu WiEderkommen rechnen.

Ich fühlte mich sehr unwohl damit. Aber diese Offenbarungsbilder wurden einfach vor 30 Jahren als mytholgische Bilder auf die Seite getan und nicht weiter beachtet. Ich denke zu "intellektuell", als ich damit etwas anfangen will und frage eher nach dem vorösterlichen Jesus oder auch nach Rechtfertigung, als nach solchen Dingen. Trotzdem konnte ich ihr keine kurze knackige befriedigende Antwort geben und fühlt mich etwas unredlich in meinem Beiseiteschieben dieses biblischen Buches.

Was könnte ich ihr antworten: ich will nicht so überintellektuell und blutleer antworten, das würde sie doch nicht so gut verstehen, ebensowenig große Abhandlungen über historisch-krit. Methode und Entmythologisierung.

Liebe Anna,

 

Sie haben Recht, wenn Sie sagen, dass die Offenbarung des Johannes nicht mehr zu den meiststudierten Büchern der Bibeln gehört. Das war vor vielen Jahren ganz anders. Im Mittelalter wurde nur das Hohelied Salomos noch häufiger kommentiert. Der Grund dafür ist, dass die Apokalypse so voller Bilder steckt, dass man immer wieder meinte, eine versteckte Botschaft in ihr zu finden, die man entschlüsseln müsse. Wie Ihre Freundin hat man zu allen Zeiten versucht, die Zeichen der Zeit zu deuten und mit der Offenbarung zu interpretieren.

 

Ich kann Ihr Unbehagen nachvollziehen, wenn Ihre Freundin Ihnen – vielleicht indirekt – den Vorwurf macht, dass Sie sich nicht um das kümmern, was in der Bibel steht. Die theologische Interpretation der Bibel geht, das haben Sie Ihrer Freundin ganz richtig dargestellt, davon aus, dass die Texte der Bibel einen historischen Ursprung haben. Die Bibel ist nach unserem Verständnis, nicht von Gott diktiert worden. Sie ist das menschliche Zeugnis von der Offenbarung Gottes in Jesus Christus. Mit anderen Worten Jesus Christus allein ist Gottes Wort, nicht die Bibel. Also dürfen und sollen wir die Bibel so nehmen, wie sie gemeint ist: Als historisch gewachsenes Buch.

Das heißt nun nicht, dass wir einige Bücher der Bibel ignorieren, oder sie als überholt beiseiteschieben. Aber es heißt, dass wir auch die Apokalypse so auslegen, dass wir nach der Botschaft in ihr suchen, die eben über die Zeit, in der sie geschrieben wurde, hinaus gültig ist. Die Offenbarung beschreibt die Zeit der Wiederkehr Christi. Das ist etwas, das Christen so bekennen: "Ich glaube an … unseren Herrn Jesus Christus … aufgefahren in den Himmel, von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten." Wo immer sich Christinnen und Christen von der Welt, wie sie ist, bedrängt fühlen, wird der Wunsch besonders groß, Gott möge endlich ein Ende machen mit dieser Welt und sein ewiges Reich aufrichten.

Andererseits ist diese Hoffnung vielen gläubigen Menschen verloren gegangen. Vielen fällt es schwer, selbst an die Auferstehung Jesu zu glauben, weil sie unserem Weltwissen widerspricht. Da ist es erst recht schwierig daran zu glauben, dass Gott dieser Welt einmal ein Ende bereiten wird und einen neuen Himmel, eine neue Erde errichten, in der Gott – wie es in der Offenbarung heißt – "alle Tränen abwischen wird von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein" (Offb 21,4).

 

Was nun die Zeit angeht, wann das Reich Gottes anbricht, so vertraue ich auf das folgende Jesus-Wort:

Als er aber von den Pharisäern gefragt wurde: Wann kommt das Reich Gottes?, antwortete er ihnen und sprach: Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man's beobachten kann; man wird auch nicht sagen: Siehe, hier ist es!, oder: Da ist es! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch. Er sprach aber zu den Jüngern: Es wird die Zeit kommen, in der ihr begehren werdet, zu sehen einen der Tage des Menschensohns, und werdet ihn nicht sehen. Und sie werden zu euch sagen: Siehe, da!, oder: Siehe, hier! Geht nicht hin und lauft ihnen nicht nach!" (Lk 17,20.23)

Darum bin ich ausgesprochen skeptisch denen gegenüber, die mir anhand von politischen Ereignissen einreden wollen, sie wüssten, dass nun das Ende der Zeiten angebrochen sei.

Wenn es kommt, wird es kommen. Dann werden wir sehen.

 

Ich grüße Sie herzlich

Frank Muchlinsky