Hallo Pfarrer Muchlinsky
würden Sie mich bitte in die Mysterien der Perikopen einführen - ich suche endlich eine Quelle, aufgrund derer ich den jeweiligen Sonntagspredigtspruch aus dem AT und NT ersehen kann. Ich weiß, dass es den 6-Jahresrythmus gibt, habe aber noch keine Stelle für die jeweilige Stelle in der Lesung und den Predigttext gefunden und weiß auch nicht, welchen Spagat zwischen AT und NT ein Pfarrer in seiner Predigt machen muss.
Außerdem möchte ich gern eine Quelle finden, wie eine Predigt schematisch aufgebaut werden muss und wo ich zu beiden Themen Literatur finde.
Tut mir leid, wenn ich so eine umfangreiche Frage stelle - aber für mich ist Glauben " Ringen, Suchen, Finden " ich oszilliere zwischen den Begriffen.
Danke im Voraus für Ihre Mühe
Michael B.
Lieber Herr B.,
eine Perikope ist ein Ausschnitt aus der Bibel (von Griechisch "peri" (drum, herum) kopein (schneiden). Die sogenannte Perikopenordnung ist die Vorgabe für die verschiedenen Texte, die in den Gottesdiensten der evangelischen Kirchen jeweils an den entsprechenden Sonn- und Feiertagen des Kirchenjahres vorkommen. Sie ist in keiner Weise ein Mysterium, sondern ausgesprochen leicht zu durchschauen und zu finden.
Wenn Sie bei www.kirchenjahr-evangelisch.de nachschauen, landen Sie automatisch bei dem nächsten anliegenden Sonn- oder Feiertag. Ein Klick auf "Mehr lesen", und schon sind Sie bei den Einzelheiten. Wenn Sie dann noch ein wenig herunterscrollen, finden Sie die Überschrift "Liturgische Texte" mit sämtlichen Bibeltexten für diesen Tag.
Es gibt vier liturgische Texte, die im Gottesdienst gelesen oder gemeinsam gesprochen werden können: Den Eingangspsalm, eine Lesung aus dem Alten Testament, eine Evangeliumslesung und eine Epistellesung (also eine aus dem Teil des Neuen Testamentes, der hinter den Evangelien steht). Außerdem gibt es noch einen "Wochenspruch", also einen Bibelvers, der als Motto über der Woche steht und einen "Hallelujavers", der von einem gesungenen Halleluja gerahmt werden kann. Diese sechs liturgischen Texte wiederholen sich jedes Jahr an dem entsprechenden Sonn- oder Feiertag. Sie könnten theoretisch alle in einem Gottesdienst vorkommen, doch gibt es wenige Gemeinden, die sämtliche Bibelstellen des Tages lesen.
Kommen wir nun zu den von Ihnen angesprochenen Perikopen für die Predigt. Für sie gibt es einen Sechs-Jahre-Zyklus. Der Grund dafür ist schnell zu verstehen. Es gibt viel mehr Bibelstellen, über die es sich zu predigen lohnt, als es Sonn- und Feiertage in einem Jahr gibt. Außerdem wäre es nicht einfach, jedes Jahr zu einem bestimmten Tag über denselben Text predigen zu müssen. Seit dem 1. Advent 2018 gibt es eine neue Perikopenordnung. Sie wurde von der "Liturgischen Konferenz" erarbeitet. Wenn Sie möchten, können Sie sämtliche Texte in einer Übersicht finden.
Ihre Frage nach dem Spagat verstehe ich nicht. Meinen Sie, wie sehr eine Pfarrerin oder ein Pfarrer auf den jeweils anderen Teil der Bibel eingehen muss?
Und was Ihre Bitte nach Literatur angeht, wie man eine Predigt aufbaut, nun da gibt es viele Bücher, viele Ideen, Zeitschriftenreihen, Bibliotheken voll! Nur eines gibt es nicht: Die eine wahre Art und Weise, wie man predigt. Schauen Sie sich gern einmal in einer theologischen Bibliothek um. Hilfe geben auch die Seiten des Zentrums für evangelische Gottesdienst- und Predigtkultur und unsere Predigt-Seiten auf evangelisch.de.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen etwas helfen und grüße herzlich
Ihr Frank Muchlinsky