Kann man mit Geduld Katastrophen entgegenwirken?

Wilhelm Lendle

Herr Ulrich Lilie macht in seinem Interview einige Aussagen über Dinge, von denen er - höflich gesprochen - nicht allzu viel Ahnung zu haben scheint. Zu der im Hinblick auf evtl. kommende Klima- und Hungerflüchtlinge gestellten Frage: "Was müssten deutsche Politiker tun, um düsteren Szenarien in der dritten Welt vorzubeugen?" stellt er fest: "Wir sind ein Teil des Problems. Wir Deutschen verursachen zu einem erheblichen Teil den Klimawandel." Wir Deutschen stellen ungefähr 1 % der Weltbevölkerung. Für den sog. Klimawandel wird üblicherweise als Hauptverursacher das Kohlendioxid angesehen. Deutschlands Anteil an den weltweiten CO2-Emissionen beträgt etwa 2,5 %. Ist das ein erheblicher Anteil? Weiter heißt es bei Lilie: "Wenn alle soviel Energie verbrauchen würden wie wir, dann bräuchten wir drei oder vier Planeten." Eine solche Aussage ist schon ziemlich abenteuerlich, denn eigentlich geht dieses Gedankenexperiment nach meinem Verständnis genau in die Gegenrichtung: wenn alle Menschen den gleichen Energieverbrauch wie wir hätten (Energieverbrauch = Maß für den Entwicklungsstand einer Gesellschaft), hieße das doch, alle Menschen sind auf gleichem Entwicklungsstand und haben den gleichen Wohlstand erreicht wie wir. Es gäbe keinen Grund mehr gegeneinander Kriege zu führen oder sich auf Wanderschaft zu begeben, die Menschen würden - um mit dem Papst zu reden - sich nicht mehr wie die Karnickel vermehren, sondern eher im Gegenteil Sorge um zu wenige Kinder haben, wie in allen entwickelten Ländern zu besichtigen ist. Das heißt, die Welt würde sich einem paradiesischen Gleichgewicht nähern. Eine schöne Utopie für unseren einen Planeten! Nur ungefähr ein Drittel der deutschen CO2-Emissionen geht übrigens auf das Konto Energieerzeugung, zwei Drittel entfallen auf Verkehr und Heizung. Deutschland will bis 2020 zehn Milliarden Euro pro Jahr investieren, um damit die vor Jahren beschlossene Emissionsreduzierung (jährlich 22 Millionen Tonnen CO2) zu erreichen. Der Effekt für die CO2-Bilanz der Welt für diesen gewaltigen finanziellen Einsatz , ist kaum meßbar und liegt im Bereich unter einem Tausendstel Prozent CO2-Minderung! Ob diese Milliarden nicht woanders besser angebracht wären, ist schon eine berechtigte Frage. Aussagen von Herrn Lilie, wie "Wir müssen alles tun, um gewalttätige Konflikte zu deeskalieren....... Wir müssen den Waffenhandel sehr stark begrenzen" oder "wir brauchen mehr Geduld, um Katastrophen wie der in Syrien entgegenzuwirken" sind hehre Ziele, die sich von der Kanzel gut verkündigen lassen, aber in der grausamen Realität, die wir überall auf der Welt erleben, wohl leider nicht ausreichend sind. Wie kann man mit Geduld Katastrophen, wie der in Syrien entgegenwirken? Dr. Wilhelm Lendle, Bad Soden

Sehr geehrter Herr Dr. Lendle,

ich unterstelle Ihnen gerne einmal, dass Sie " Ahnung haben". Sie haben recht, die CO2  - Emissionen sind zurückgegangen, die letzten Untersuchungen zeigen: noch nicht entsprechend der von der Bundesregeirung gesetzten Ziele. Der Primärenergieverbrauch pro EinwohnerIn in Deutschland liegt aber immer noch problematisch hoch ( Deutschland nimmt hier unter den meistverbrauchenden Ländern weltweit Platz sieben ein). Diese Energiequellen stehen aber nur begrenzt und eben nicht gerecht verteilt zur Verfügung. Und genau hier beginnt ein Problem, das viel mit Umweltbelastung und Entwicklungschancen der armen Länder zu tun hat. Wir arbeiten hier in Berlin mit unseren in der internationalen Diakonie tätigen Fachleuten im " Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung "eng zusammen und haben dabei viel über diese Zusammnehänge gelernt. Schauen Sie doch einmal auf unsere Website, dort finden Sie viele Expertisen zu den Fluchtursachen auf dieser Welt. Als einer der weltweit größten Waffenexporteure ist unser Land vielfältig in die Ursachen von Flucht und Vertreibung verflochten. 

Ich bin überzeugt, dass viele interventionistische und militärische Reaktionen auf Terror und Unrecht in der Vergangenheit ( z.B. Im Irak) mit ursächlich für die aktuellen bedrohlichen Entwicklungen sind. Terror und Unrecht müssen bekämpft werden, aber eben nicht nur mit militärischen Mitteln, die jeden Tag neue Extremisten produzieren. Dazu kann eine überhaupt nicht naive, sondern weitsichtige Bekämpfung von Fluchtursachen vielleicht den besten Beitrag leisten. Ein wirklich schlauer Mensch hat das einmal die neue und notwendige " Weltinnenpolitik" genannt.

Herzliche Grüße 

Ihr

Ulrich Lilie

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