Ich würde gern wissen, ob es im Sinne der evangelischen Kirche ist, sich parteipolitisch zu engagieren. Mehrfach habe ich von Seiten Ihrer Vertreter abfällige und diffamierende Äußerungen gegen bestimmte politische Parteien gelesen. Es ist zwar in den Medien üblich, in dieser Weise Meinungsmache zu betreiben, die evangelische Kirche, der ich gerade kürzlich beigetreten bin, sollte sich dieser undemokratischen Tendenz nicht anschließen! für eine Stellungnahme zu dieser Thematik wäre ich Ihnen dankbar.
Lieber Herr Schmidt,
zunächst einmal ein herzliches Willkommen in unserer Kirche! Sie haben sich angesichts über bestimmte Meinungsäußerungen von bestimmten Kirchenvertretern geärgert. Da Sie nicht schreiben, wer da was genau gesagt hat, kann ich mich leider auch nicht konkret dazu äußern, sondern muss allgemein bleiben.
Sie nennen die Äußerungen, die gemacht wurden "abfällig", "diffamierend" und "undemokratisch". Wenn tatsächlich seitens einiger Kirchenvertreter verletzende Äußerungen gemacht wurden, ist das sicherlich unangemessen. Andererseits ist es durchaus demokratisch, sich auch öffentlich über politische Parteien zu äußern. Das ist auch keine Meinungsmache, sondern es handelt sich um eine Meinungsäußerung, zu der jeder Bürger unseres Landes das Recht hat. Der Ton macht dabei natürlich die Musik, und anscheinend haben Sie etwas lesen oder hören müssen, dass Sie als verletzend empfunden haben. Insofern stimme ich Ihnen zu, dass jeder Mensch, der sich öffentlich äußert, sehr auf seinen Ton achten sollte.
Was die (partei-)politische Betätigung angeht, so gilt in der EKD das Pfarrerdienstgesetz. Dort heißt es in §34 Verhalten im öffentlichen Leben: "Pfarrerinnen und Pfarrer haben durch ihren Dienst wie auch als Bürgerinnen und Bürger Anteil am öffentlichen Leben. Auch wenn sie sich politisch betätigen, müssen sie erkennen lassen, dass das anvertraute Amt sie an alle Gemeindeglieder weist und mit der ganzen Kirche verbindet. Sie haben die Grenzen zu beachten, die sich hieraus für Art und Maß ihres politischen Handelns ergeben." Sie sehen, dass das Gesetz hier einigen Spielraum zulässt und die Pfarrerinnen und Pfarrer auffordert, bei ihren politischen Betätigungen (die ausdrücklich erlaubt sind!) aufzupassen, dass sie immer Vertreter der ganzen Kirche mit ihren Mitgliedern sind. Insofern ist die Verurteilung von politischen Parteien durch einen Geistlichen schwierig, denn es ist davon auszugehen, dass zu seiner Gemeinde durchaus auch Mitglieder dieser Partei gehören.
Andererseits haben die Geistlichen die unbedingte Aufgabe, sich gemäß dem christlichen Bekenntnis zu verhalten. Sie sind darum dazu aufgefordert, sich gegen solche Meinungen und Parteiungen zu wenden, die offensichtlich dem biblisch-christlichen Menschenbild widersprechen. Das kann auch dazu führen, dass sie sich öffentlich und durchaus deutlich Stellung gegen politische Parteien aussprechen, die beispielsweise für Intoleranz stehen.
Soweit meine Stellungnahme zu Ihrer Frage. Ich grüße Sie herzlich.
Frank Muchlinsky