Zur Ehelosigkeit berufen?

El

Sehr geehrter Herr Muchlinsky,

ich wundere mich etwas über die Ehe. Es gibt ja nun drei Möglichkeiten. Zur Ehe berufen, nicht zur Ehe berufen aufgrund der Führung Gottes und.... Ja mit dem letzten habe ich etwas Schwierigkeiten. Matth. 19,12 "denn es sind etliche verschnitten die sind aus dem Mutterleibe geboren" in vielen Büchern wird es als Untüchtigkeit zur Ehe von der Geburt an bezeichnet. Aber was ist damit konkret gemeint? Über eine Erklärung wäre ich sehr dankbar.

Mit freundlichen Grüßen El

Liebe El,

in dem Abschnitt bei Matthäus, den Sie zitieren, geht es nicht um die Frage, ob man "zur Ehe berufen" ist oder nicht. Es geht vielmehr zunächst um die Frage der Pharisäer an Jesus, ob sich ein Mann von seiner Ehefrau scheiden lassen darf. Darauf antwortet Jesus mit dem berühmten Satz, dass die Ehe von Gott gewollt ist, und das, "was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden." (Mt 19,6) Auf die Nachfrage der Pharisäer, warum Mose dann dem Volk geboten hat, Frauen durch einen Scheidungsbrief zu entlassen, antwortet Jesus wiederum, dieses Gebot sei lediglich eine Konzession an die menschliche Hartherzigkeit. Der Wille Gottes ist es nicht. (Mt 19,7-9)

Nun wenden die Jünger ein, dass man in diesem Fall vielleicht gar nicht heiraten sollte. Anscheinend sehen Sie ihre Privilegien als Männer durch die Worte Jesu bedroht, denn er verbietet ja Männern, ihre Frauen fortzuschicken. (Mt 19,10) Daraufhin setzt Jesus nun zu den rätselhaften Sätzen an, von denen Sie einen zitieren. Um den Worten etwas näher auf die Spur zu kommen, lohnt es sich, eine etwas genauere Übersetzung als die von Luther zurate zu ziehen. Die Neue Zürcher Bibel übersetzt die folgenden Verse so:

Er aber sagte zu ihnen: Nicht alle fassen dieses Wort, sondern nur die, denen es gegeben ist: Ja, es gibt Eunuchen, die von Geburt an so waren, und es gibt Eunuchen, die von Menschen zu solchen gemacht wurden, und es gibt Eunuchen, die sich um des Himmelreiches willen selbst zu solchen gemacht haben. Wer das fassen kann, fasse es! (Mt 19,11-12)

In der Antike war freiwillige Ehelosigkeit ausgesprochen selten. Wer ohne Frau und Kinder blieb, war eher dem Spott als der Anerkennung ausgesetzt. Nun waren aber Johannes der Täufer, Jesus und später auch Paulus alle ehelos. Wer von den Christen diesem Vorbild nacheiferte, wurde sicherlich auch in der Öffentlichkeit als "Eunuche" beschimpft. Es geht in diesem rätselhaften Wort also darum, dass einige Christen absichtlich auf ein Eheleben verzichten, sich also absichtlich zu "Eunuchen" machen. Ob sie dazu "berufen" sind oder nicht, spielt keine Rolle. Diejenigen, die von Geburt an zeugungsunfähig sind, stehe lediglich in dieser Aufzählung: Von Geburt an "Eunuche", von anderen dazu gemacht, freiwillig so geworden.

Vielleicht geht es in diesem Wort Jesu einfach darum, sich nichts daraus zu machen, von der Gesellschaft "unmännlich" beschimpft zu werden, wenn man sich für die Ehelosigkeit entschieden hat. Wie gesagt, die Stelle ist ausgesprochen schwierig zu interpretieren. Sie ist ja auch schon als Rätselwort formuliert.

Herzliche Grüße!

Frank Muchlinsky

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