Warum falten unsere Pfarrer nicht mehr die Hände?

Renate Petter
römisches Gebet mit ausgebreiteten Armen heißt Orante-Haltung
©Getty Images/iStockphoto/ipopba

Hallo,
Warum falten unsere Pfarrer nicht mehr die Hände?
Sie halten die Hände offen, dann muß ich an Muslime denken und kann es einfach nicht verstehen.
Ist das Händefalten nicht mehr „modern““?

Liebe Fragenstellerin,

vielen Dank für Ihre Frage. Körperhaltungen beim Gebet sind eine wunderbare Möglichkeit, dem, was wir innerlich tun, auch äußerlich Ausdruck zu verleihen und das, was geistlich geschieht, mit unserem Körper zu unterstützen. Es ist auch ein Ausdruck davon, dass uns das, was wir beim Beten tun, als ganzen Menschen betrifft. 

In den verschiedenen Religionen haben sich verschiedene Haltungen ausgebildet. Diese dienen aber nicht in erster Linie dazu, sich von den anderen Religionen abzugrenzen. Im Christentum ist es nicht festgeschrieben, welche Haltung eine Person einzunehmen hat, die betet. Das Händefalten kann hilfreich sein, weil es auch eine Geste ist, die mich mit mir selbst in Kontakt bringt und darin eben auch zu Gott. Die Hände beim Gebet offen zu halten kann eine körperliche Form sein um mich im Gebet als Empfangende zu erfahren. 

Historisch betrachtet, ist das Gebet mit ausgebreiteten Armen das ursprüngliche römische Gebet und nennt sich Orante-Haltung. Man sieht sie auf vielen Bildern in römischen Katakomben und es verband sich damit wohl die Vorstellung, beim Gebet den Himmel zu berühren. Das Händefalten kommt ursprünglich aus dem germanischen Kulturraum und wurde praktiziert beim Lehenseid, den die Vasallen ihren Herren versprechen. Mit dieser Haltung verbindet sich so die Bedeutung der Treue und Abhängigkeit. 

Wenn man also danach fragen wollte, was denn ursprünglicher ist, sehen Sie, dass man bei den ausgebreiteten Armen als Haltung ankäme. Das Ursprüngliche ist aber ja nicht notwendig das richtigere. Letztlich geht es doch darum, wie Sie gut beten können. Vielleicht ist das eine ganz andere Haltung als die, die Ihrem Pfarrer gut tut. Damit Sie im Gottesdienst gut mitbeten können, geht es vor allem darum, dass das, was ihr Pfarrer tut, für ihn authentisch und stimmig ist. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie ziemlich schnell spüren würden, wenn er eine Haltung einnimmt, die ihm garnicht entspricht und die ihm beim Beten äußerlich bleibt. 

Als ich in einer 4. Klasse Religion unterrichtete, habe ich mal eine sehr interessante Erfahrung gemacht im Hinblick auf das Ausprobieren von Gebetshaltungen. Als wir uns mit dem Islam beschäftigt haben, habe ich mit den Kindern die verschiedenen Gebetshaltung eines muslimischen Gebets ausprobiert und wir haben darüber gesprochen, wie sich die Körperhaltung jeweils anfühlt. Mein Eindruck war, dass die Kinder dabei nicht nur etwas über den Islam gelernt haben, sondern auch ganz grundsätzlich über das Beten. 

Vielleicht haben Sie ja auch mal Lust, verschiedene Haltungen beim Gebet auszuprobieren und Ihnen mit der Neugier zu begegnen, die mich bei diesen Kindern so begeistert hat. Vielleicht machen Sie ja eine ungeahnte Erfahrung, wenn Sie mal mit geöffneten Armen versuchen zu beten. Vielleicht kehren Sie dann aber auch zu den gefalteten Händen zurück, weil das eben ihre Haltung ist, die Ihnen gut tut. 

Ich wünsche Ihnen alles Gute und Gottes Segen. 

Herzlich

Katharina Scholl

 

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