Ich bin 46 Jahre alt und seitdem ich ein junges Mädchen bin, setze ich mich gedanklich mit dem Sterben auseinander. Oft leider täglich. Einen Sterbefall gab es nicht, der ggf. Auslöser war. Ich vermute eher, dass es der Film ‚Die unendliche Geschichte‘ verursacht haben könnte. Da gibt es das Nichts, in Form eines schwarzen Wolfes und das Schwarze Loch, das alles verschlingt. Genau so ist für mich der Tod. Das schwarze Nichts, was uns am Ende erwartet. Das ist eine grausame, plagende und angstmachende Vorstellung.
Mit Sicherheit ist auch das der Grund, dass ich versuche, durch Gott eine andere Antwort zu bekommen.
Seit Jahren bin ich auf der Suche und komme nicht an. Ich habe eine sehr gute Freundin aus der Freikirche. Durch sie habe ich bestimmt viel erfahren oder gelernt. Ich war in Ihrer Gemeinde, habe mit vielen Menschen gesprochen. Aber ich schaffe es nicht aus tiefem Herzen zu Glauben. Wenn ich bete oder meinen Kindern von Gott erzähle fühlt es sich heuchlerisch an. Weil ich ihn nicht echt spüre. Ich wünsche es mir so sehr, aber die Skepsis ist größer.
Wenn ich dann wieder neue Schritte gehe, durch eigene Gedanken oder ermutigt durch eine tolle Predigt bei der Konfirmation, lässt mich aber wieder vor allem die folgende Frage verzweifeln:
Es heißt, Gott hat einen Plan. Für jeden von uns. Noch vor Beginn unseres Lebens, sei unser ‚Buch‘ geschrieben. Aber warum gibt es dann dieses fürchterliche Leid? Warum muss ein unschuldiges Kind Gewalt ertragen? Warum Krankheit, warum ein früher Tod? Das ist dein Plan für diesen Menschen , Gott?
Und dann ist sie wieder da, die Aussage in meinem Kopf : alles nur ein Wunschdenken. Ausgedacht, um Leid und Tod in unserem Leben erträglicher zu machen, damit man nicht daran zerbricht.
Und es folgt zugleich der strafende Gedanke: nur um die Angst zu verlieren, willst du an Gott glauben. So funktioniert das natürlich auch nicht…
Ich wünsche mir so sehr, dass Gott in mein Herz kommen wird.
Vielleicht mit Ihrer Hilfe!
Herzliche Grüße
Liebe Katrin,
Michael Ende und die Filmemacher der Unendlichen Geschichte haben da eine wirklich beunruhigend Vorstellung erzählt. Mich hat die Beschreibung des „Nichts“ auch richtig erschaudern lassen. Sie begleitet diese Vorstellung nun schon lange und es klingt sehr mühsam und kräftezehrend mit diesem Bild unterwegs zu sein. Es ist bewundernswert, wie sie trotz allem Zweifel und dem bedrohlichen Nichts trotzdem nicht nachgelassen haben auf ihrer Suche.
Sie schreiben, dass Sie Gott gerne spüren würden. Ich glaube, dass das auch dazu gehört, aber unser Glaube nicht allein davon abhängig sein sollte. Glaube ist nicht schwächer, nur weil man ihn nicht spüren kann. Mir hilft manchmal das Bild der Taufe dabei: Auch wenn ich mich an meine Taufe nicht erinnern kann, nichts spüre, wenn ich daran denke, so stimmt es ja trotzdem, dass Gott zu mir Ja gesagt hat in dem Moment. Meine Eltern und Paten waren dabei und können mir von diesem Moment erzählen. Das weist auf einen für den Glauben wichtigen Punkt hin: Glauben ist nicht nur eine Angelegenheit zwischen einer einzelnen Person und Gott. Er braucht auch Gemeinschaft. Falls Sie gerade keine Gemeinschaft haben, könnten Sie nach einer Kirchengemeinde suchen, in der Sie sich wohlfühlen. Dazu gehört auch, dass man Ihnen dort nicht vermittelt, es läge an Ihnen „mehr“ zu glauben. In Zeiten, in denen wir selbst nicht von uns aus glauben können, ist es gut vom Glauben in der Gemeinde getragen zu sein. In einer Gemeinschaft von unterschiedlich Glaubenden kann man auch entdecken, wie unterschiedlich Glaube gelebt und erlebt werden kann.
Sie können Ihren Wunsch, Gott zu spüren, auch direkt an Gott richten. Das tun viele Menschen in der Bibel sehr deutlich. Beten Sie zu ihm, dass Sie sich nach mehr Gewissheit sehnen. Gott verspricht: „Wenn ihr mich sucht, werdet ihr mich finden. Ja, wenn ihr von ganzem Herzen nach mir fragt, will ich mich von euch finden lassen. Das verspreche ich, der HERR.“ (Jeremia 13). Sie können zuversichtlich bleiben, zuversichtlich, dass Gott sich auch von Ihnen finden lassen will, auch wenn das gerade vielleicht schwer fällt. Vielleicht oder bestimmt haben Sie schon etwas gefunden, das nur noch nicht recht zu fassen ist.
Nun zu Ihrer Frage nach dem Leid und Gottes Plan für das Leben.
Ich glaube, dass Gott um unseren Weg weiß und uns auf unserem Weg begleiten will. Gleichzeitig heißt das für mich nicht, dass Gott unseren Weg vorschreibt. Wir haben einen freien Willen, und Gott lässt uns den - mit allen schweren Konsequenzen, die Entscheidungen mit sich bringen. Sonst wäre unsere Welt nicht mehr als ein Riesen-Modellpark, in dem Gott seine Figuren herumschiebt. Trotzdem können und sollen wir Gott um Rat für kluge Entscheidungen bitten. Unser Weg ist ihm nicht egal, auch wenn er unsere Umwege voller Liebe mitgeht.
Diese Freiheit, von der ich gerade sprach, ist auch ein Teil der Antwort auf Ihr Hadern nach dem Leid. In seiner Freiheit verursacht der Mensch einiges von dem Leid, das wir erleben. Ich gebe zu: Die Antwort ist nur teilweise befriedigend. Die Frage, warum der Mensch überhaupt in der Lage Böses zu tun, wird dadurch nicht beantwortet. Und darüber hinaus gibt es auch Leid, das einfach unerklärlich ist und für das kein Mensch etwas kann. Gott verschließt aber vor keinem Leid die Augen. Er hat das Leid, als er auf die Erde kam, selbst miterlebt, und ich glaube, dass er mit allen Menschen, die verzweifeln, hungern, unter Krieg leiden, mitleidet. Jesus Christus ist denen Bruder und Tröster, die verzweifelt sind.
Und ich glaube, dass am Ende der Tage alle Tränen getrocknet sein werden. Gott ist im Gegensatz zu allem Leid und aller Leere ewig. Ich habe die Hoffnung und Zuversicht, dass wir uns irgendwann in seiner umfassenden Liebe bergen dürfen.
Zuletzt die Frage, ob das nicht alles nur Wunschdenken ist. Mit Sicherheit lässt sich Gott nicht im naturwissenschaftlichen Sinne beweisen, allerdings auch nicht widerlegen. Die Frage ist also (auch wenn sie viele beschäftigt) ein Stück weit müßig. Wir konstruieren mit Sicherheit auch immer unseren Glauben, weil wir immer die Subjekte unserer Wahrnehmung sind. Aber nur, weil wir etwas konstruieren, weil wir uns mit etwas beschäftigen, bedeutet das nicht, dass es nicht wahr ist. Es bedeutet nicht, dass es kein Gegenüber zu diesem Konstrukt gibt. Ich würde sagen: Überall dort, wo wir Gott wahrnehmen, da ist er auch.
Wenn Sie etwa an die Liebe denken, so ist das etwas, was Sie vielleicht manchmal spüren, manchmal aber auch vor allem als gedankliches Konstrukt fassen. Und trotzdem, obwohl niemand ihnen die Liebe beweisen kann, ist sie doch da, wo wir sie wahrnehmen.
Jetzt habe ich Ihnen viele Gedanken mitgegeben und wünsche mir sehr, dass der ein oder andere Gedanke Ihnen auf Ihrer tiefen Suche nach Gott begleiten kann.
Ich wünsche Ihnen auf ihrem weiteren Weg alles Gute und bin fest davon überzeugt, dass Gott Sie für Ihre Ausdauer und tiefes Nachdenken genauso bewundert wie ich.
Herzliche Grüße,
Felix Weise
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