Sehr geehrter Herr Muchlinsky,
meine Oma hat mit mir, als ich ein Kind war, gebetet: "Ich bin klein, mein Herz ist rein und es soll niemand drin wohnen als Jesus allein." Das Gebet habe ich nie so richtig verstanden, aber auch nicht nachgefragt. Schon damals dachte ich, das sei nicht richtig, weil man nicht zu anderen beten soll, als zum lieben Gott. Ich habe mein ganzes Leben lang immer, außer das vorgenannte Gebet, nur zu Gott gebetet. Heute habe ich zum ersten Mal zu Jesus gebetet, aber erst noch versucht, Rücksprache mit dem lieben Gott zu halten und war mir doch nicht sicher, ob das so richtig ist. Ich kam mir auch so berechnend vor, weil ich so dringend Hilfe brauche und dass es sich so anhört, als wenn ich mehrere ins Boot hole.
Auch bin ich manchmal so sauer, dass ich sage: "Warum dies... und das..". Glaube ich überhaupt richtig, wenn ich zweifle? Kennt Gott mich überhaupt? Oft denke ich, ja, das tut er, aber manchmal ist alles so fern. Das ist es, worüber ich schon lange nachdenke und mich noch nie getraut habe, zu fragen.
Freundliche Grüße
Meike
Liebe Meike,
es gibt Phasen, in denen man sich besonders viel Schutz und Begleitung wünscht. Darum möchte ich Ihnen als Erstes sagen: Machen Sie sich kein schlechtes Gewissen, weil Sie Ihr Gebet an mehrere "Adressen" richten! Ich denke vielmehr, dass Sie es aus mindestens zwei Gründen gerade genau richtig machen:
Erstens ist es eine gute und wichtige Tradition unseres Glaubens, dass unsere Gebete drängender und lauter werden, wenn es uns schlecht geht. So tun es bereits die Klagepsalmen der Bibel, so tut es selbst Jesus, als er am Kreuz ruft: "Mein Gott, warum hast du mich verlassen?" (Matthäus 29,46) Wir glauben nicht falsch, wenn wir zweifeln und uns bei Gott beklagen, dass er uns so fern erscheint.
Zweitens dürfen wir uns sehr wohl an Jesus wenden. Auch das ist gute, christliche Tradition. Seit den Anfängen des Christentums gibt es die Vorstellung, dass Jesus Christus sich bei Gott für uns einsetzt. Christus hält sozusagen Fürbitte für uns. Das kennen Sie vielleicht aus dem Gottesdienst aus der Gebets-Formulierung "Das bitten wir dich (Gott) durch Jesus Christus unseren Herrn und Bruder". Darin steckt genau diese Vorstellung, dass wir uns an Gott wenden und zusätzlich Jesus mit ins Boot holen, dass er unsere Bitten Gott vorträgt.
Ihr Gebet aus Kindertagen ist übrigens durchaus eines, das sich an Gott richtet. Ich verstehe es auch eher als Auftakt und nicht als vollständiges Gebet. Es ist wie eine Selbstvorstellung zu Beginn: "Schau, Gott, ich bin noch klein. Ich habe noch keine fiesen Pläne, mein Herz ist noch rein. Und so soll es auch bleiben, denn ich will Jesus in meinem Herzen haben und nicht irgendwelche Gier nach Dingen oder nach Macht." Und dann könnte das Gebet doch weitergehen, zum Beispiel mit Bitten.
Ganz zum Schluss noch dies: Ja, Gott kennt Sie. Davon bin ich überzeugt. Dass Sie daran zweifeln, ist – wie gesagt – nichts, wofür Sie sich schämen müssten. Ich wünsche Ihnen sehr, dass Sie Gott bald wieder näher spüren können.
Herzliche Grüße!
Frank Muchlinsky
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