Lieber Frau Klee,
meine Klasse wird gerade im Religionsunterricht mit den Fragen zum Teufel gequält. Unsere Religionslehrerin Frau B. hat uns auf Ihr Portal verwiesen und deshalb wollte wir Ihnen unsere Frage stellen. Wie sieht der Teufel aus (Könnte er auch in Menschengestalt auftreten?) und warum gibt es ihn. Wir hoffen, dass Sie uns eine gute Antwort liefern können, die wir auch in der Arbeit anwenden können.
Vielen Dank für Ihre Hilfe.
Liebe 10. Klasse des Immanuel-Kant-Gymnasiums,
es freut mich, dass ihr unsere Seite gefunden habt und zugleich eine so spannende Frage stellt.
Religionsgeschichtlich wird der Teufel als die Verkörperung des Bösen gesehen - als Gegenspieler des gütigen, gerechten, allwissenden und allmächtigen Gottes. Als Widersacher Gottes kommt er in vielen Religionen vor. So unterschiedlich wie diese Religionen, so unterschiedlich ist auch die Vorstellung einer Teufelsgestalt. Selbst in der Bibel gibt es keine einheitliche Vorstellung davon, was oder wer der Teufel eigentlich ist.
Im Alten Testament taucht der Begriff Satan ganz unterschiedlich auf. Satan bedeutet im Hebräischen "Ankläger", aber auch "Feind". In diesem Sinne können auch Menschen - z.B. feindliche Armeen - Satan sein. Dann wird der Begriff Satan ohne einen Artikel verwendet (z.B. in 1. Kön 11,14.23.25). In anderen Bibelstellen des Alten Testaments lässt sich sehen (Num 22,22, Hiob 1 und Sacharja 3), dass der Satan zum göttlichen Hofstaat gehört. Bei der Bileamgeschichte (Num 22,22) wird ein Engel zum Widersacher. Im Hiobbuch (Hiob 1 ) versucht der Teufel den gläubigen Hiob und fordert ihn heraus. Beim Propheten Sacharja (Sach 3) ist Satan ein Ankläger im göttlichen Gericht. Insgesamt lässt sich sagen, dass der Satan im Alten Testament also selbst als personifizierte Figur im Auftrag Gottes handelt. Er ist keine Gegenmacht zu Gott, sondern handelt in seinem Auftrag. In diesem Sinne gibt es auch im gegenwärtigen Judentum je nach Strömung keine ausgeprägten Vorstellungen von einem Teufel als Gegenspieler Gottes. Analog dazu ist auch im Islam die Figur des Teufels sehr komplex, er bleibt in unterschiedlichen Vorstellungen aber jeweils Gott untergeordnet.
In der hellenistischer Zeit entstanden in frühjüdischen Schriften, also kurz vor der Entstehung des Neuen Testaments, Vorstellungen von einem Widersacher Gottes, der im Jüngsten Gericht endgültig besiegt werden sollte. Die griechische Übersetzung von Satan war "Diabolos", was so viel wie "durcheinanderbringen" bedeutet. Das Neuen Testament knüpft an die Vorstellungen von einem Teufel als Gegenspieler Gottes an. Es finden sich zwar auch vereinzelt Bibelstellen im Neuen Testament, in denen der Satan wie schon im Alten Testament eher ein anklagender Engel ist, wirkmächtiger ist jedoch die Deutung des Teufels als Fürst der Welt und Feind Jesu. Dieser verführt Jesus in der Wüste (Mt 4,1-11) und steht ihm im letzten Kampf gegenüber - letztlich wird er von Gott bzw. Jesus besiegt (Offb 20,1-11). Im frühen Christentum wurde dieses Bild aufgegriffen. Teufel waren gefallene Engel, Satan bzw. Lucifer war der oberste Widersacher Gottes - er war der Antichrist. Er war der Urheber der Sünde, er war das personifizierte Böse. Dabei vermengten sich im Christentum die biblischen Vorstellungen mit den griechisch-römischen Mythologien der Umwelt, bei denen "Lucifer" wechselnd für den Morgenstern gehalten oder aber als Sohn der Göttin der Morgenröte betrachtet wurde.
Im Mittelalter schließlich gab es einen ausgeprägten Glauben an Teufel, Engel und Dämonen. Der Teufel wurde als Gestalt mit Hörnern, schwarzen Fell, Pferdefüßen und Dreizack dargestellt. Es gab Geschichten und theologische Deutungen über den Teufel, z.B., dass er in der Schöpfungsgeschichte als Schlange beteiligt war, die Eva verführte. Deswegen finden sich auch bei Martin Luther sehr ausgeprägte Teufelsvorstellungen. Der Teufel bedroht nach Luther als das Böse die Welt. Luther war aber auch überzeugt, dass der Glaube an Gott - vermittelt durch Jesus Christus - vor der Macht des Teufels retten konnte. Luther konnte den Begriff Teufel oder Antichrist auch in einem sehr weltlichen Sinne verstehen, wenn er z.B. feindliche Heere oder aber den Pabst als Antichristen bezeichnete. Mit der Zeit der Aufklärung verlor sich nach und nach der Glaube an den Teufel als Gegenspieler Gottes. Erzählungen wie Goethes Faust geben dem Teufel eine eher untergeordnete, komödiantische Rolle.
Ein Spannungsfeld ist bis heute, dass Satan aus christlicher Sicht nicht gleichrangig zu Gott sein kann, wie es z.T. in anderen Religionen vorkommt. Wenn Gott und Teufel, Gutes und Böses, zwei ebenbürtige Kräfte mit unterschiedlichen Ursprüngen sind, handelt es sich um ein dualistisches Weltbild - dieses ist aber nicht mit einem monotheistischen, christlichen Weltbild vereinbar. Deswegen haben sich einige Theologinnen und Theologen im 20. Jahrhundert von der Vorstellung eines Teufels verabschiedet. Es gibt weiterhin das Böse in der Welt, jedoch nicht als eine personifizierte Macht. Das Böse ist dann vielmehr das "Nein Gottes", es kann in jedem Menschen wirkmächtig werden.
Letzteres ist ein Gedanke, den vor allem die jüdische Philosophin Hannah Arendt nach dem 2. Weltkrieg im Eichmann-Prozess stark vertreten hat. Damit ist auch klar, dass wir das Böse nicht an eine äußere Macht deligieren können, die uns verführt. Wir sind selbst für unsere Taten verantwortlich, die wir begehen - so schreibt es auch die Theologin Petra Bahr. Es ist natürlich leichter, jemand anderes das Böse in die Schuhe zu schieben (- deswegen gibt es wohl letztlich auch die Vorstellungen von Teufeln und Dämonen -), aber am Ende müssen wir selbst mit dem Bösen in uns umgehen lernen.
Schließen möchte ich noch mit einem Zitat von Umberto Eco aus "Der Name der Rose" schließen: "Vielleicht ist das überhaupt der einzige wahre Beweis für das Wirken des Teufels: die Intensität, mit welcher alle Beteiligten in einem bestimmten Augenblick danach verlangen, ihn am Werk zu sehen". Vielleicht könnt ihr das ja einmal in eurem Religionsunterricht diskutieren?
Ich wünsche euch alles Gute und eine spannende Diskussion!
Fragt gern einmal wieder nach!
Eure Johanna Klee
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