Will Gott, dass ich auf meinen Ex warte?

Sarah
Junge Frau betet draussen
Getty Images/iStockphoto/PixelsEffect

Hallo!

Meine Situation ist folgende: Ich bin 28. Aufgrund verschiedener Umstände war ich Mitte letzten Jahres sehr verzweifelt und habe in einer Kirche um ein Zeichen gebeten, wer der richtige Partner für mich sei, da ich einfach nicht mehr könne, auch wenn ich wüsste, dass es eigentlich noch zu früh sei. Und zwei Wochen später tauchte er auf. Ich glaube auf jeden Fall, das Gott immer wieder wundersam tätig ist. Und ich empfinde das erste Mal für einen Menschen so viel Verständnis, Liebe, Respekt und Zuneigung auf allen Ebenen. Und das erste Mal den echten Wunsch danach, jemandem eine Frau zu sein. Es ist umwerfend, wieviel wir miteinander teilen. Ich weiß, dass er am Anfang auch Gefühle hatte und dass es auch für ihn völlig unglaublich war, nach 30 Jahren Leben auf dieser Erde jemanden zu finden, mit dem er sich so verstanden fühlt und so gut austauschen kann.

Dann jedoch ist das Ganze gekippt, als wir uns etwas näherkamen. Er hat sich zurückgezogen - was er selbst, wie er sagt, nicht ganz versteht, wieso ihn alles so überfordert hat. Ich habe das nicht ausgehalten und gebeten es zu verändern oder zu beenden, er hat Letzteres getan. Wir wollten Freunde bleiben, bis auf weiteres. Dann hat er kurz darauf den Kontakt zu mir abgebrochen, da es ihm nicht gut geht. Ich habe ein paar Mal nachgefragt, wie es ihm ginge, und es hat ihn wütend gemacht. Er hat mir nun auch klar kommuniziert, dass er keine romantischen Gefühle mehr für mich hat. Er hat nur versprochen, sich irgendwann wieder zu melden, und dass ich ihm sehr wohl viel bedeute.

Dass das mittlerweile so ist, glaube ich auch, aber ich würde ihn gerne wiedersehen und glaube auch, dass wir uns noch einmal - ruhiger - schon aufeinander einlassen könnten. Normalerweise würde ich ihn nun trotzdem vergessen und weiterleben. Aber ich bin mir ganz gewiss, dass ich das in diesem Fall nicht sollte. Ich würde gerne für ihn beten und auf ihn warten. Aber ich will mich nicht über den Willen Gottes erheben und nicht in eine ungesunde Situation bringen. Ich erwarte nun keinen Beziehungsrat, aber vielleicht gibt es eine christliche Perspektive, die ich mitbedenken kann. Danke!

Liebe Sarah,

okay, kein Beziehungstipp, stattdessen eine theologische Perspektive. Wer sich in Krisen an Gott wendet, tut zunächst einmal das Richtige, denn dadurch gibt man etwas ab, das man selbst nicht mehr tragen kann. Man sagt: „Gott, bitte kümmere DU dich, denn mir ist es einfach zu viel!“

Zweitens: Anschließend wird es kniffelig, denn wir versuchen natürlich die Zeichen zu deuten, die uns nun begegnen. In Ihrem Fall war es anscheinend eindeutig, denn Ihnen ist jemand begegnet, der Ihnen sehr entspricht. Das haben Sie selbstverständlich so gedeutet, dass Gott Ihr Gebet erhört hat. Ich kann das gut nachvollziehen, weil es eben so gut „passte“. Aber nun ist die Sache kompliziert und traurig geworden, und spätestens da wurde Ihre Deutung zum Problem: Wenn ihr Freund doch der ist, den Gott Ihnen geschickt hat, dann müssen Sie ja an ihm festhalten, oder Sie widersetzen sich dem, was Gott Ihnen geschenkt hat.

Ich befürchte, dass Ihre Deutung auch schon vorher problematisch war. Sie schreiben, dass sich Ihr Freund immer weiter zurückgezogen hat. Vielleicht konnte er Ihr Überwältigt-Sein nicht mitmachen, weil ihm dieser Aspekt fehlt. Für ihr ist Ihre Beziehung ja vermutlich nicht die Erfüllung eines innigen Gebets in der Not.

Ich denke, Sie sollten sehr ehrlich schauen, inwiefern Gott Ihr Gebet erhört hat. Unserer Tradition nach handelt Gott durchaus wunderbar, aber dieses Eingreifen lässt uns nicht „glücklich bis an unser seliges Ende“ zurück. Vielmehr schenkt uns Gott so ein (Neu-)Anfang, der uns auch gleich wieder Verantwortung auferlegt, denn wir sind es, die diesen Weg dann weitergehen müssen. Konkret: Wenn Gott Ihnen die Augen so geöffnet hat, dass Sie einem Menschen begegnen, der ausgesprochen gut zu Ihnen passt, ist es weiterhin Ihre Aufgabe zu schauen, was Sie daraus machen.

Konkret möchte ich raten: Beten Sie nicht nur für Ihren Freund, sondern beten Sie auch darum, dass Gott auch Sie nicht in eine ungesunde Situation bringt. Und denken Sie daran: Dass Ihr Freund von Gott geschickt wurde, ist Ihre Deutung der Ereignisse. Hören Sie auch jetzt nicht auf, die Zeichen zu deuten, die Ihnen begegnen!

Ich grüße herzlich und wünsche Ihnen alles Gute und Gottes Segen!

Frank Muchlinsky

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