Wer war Lilit? Adams erste Frau?

Gäste
Eva und Adam
©Wikipedia Commons/cc

War Lilith die erste Frau von Adam ? Warum wissen wir nur von Eva und was wurde aus Lilith. Wo kann ich etwas über Lilith nachlesen?
Ich habe erst kürzlich etwas über die Existenz von einer ersten Frau von Adam gehört, nun möchte ich wissen ob es stimmt das Lilith Adam verlassen hat und Gott ihr drei Engel geschickt hat um sie umzustimmen.

Liebe Gäste, Lilit(h) ist ein ein kniffeliges und recht großes Thema. Darum habe ich mir erlaubt, die Frage an eine Spezialistin weiterzugeben. Prof. Melanie Köhlmoos ist Alttestamentlerin und hat sich Ihrer Frage angenommen. Herzlich, Frank Muchlinsky

 

Liebe Gäste,

"Lilit" ist eine Gestalt minderen göttlichen Ranges und stammt ursprünglich aus Mesopotamien. Teils göttlich, teils dämonisch, ist sie dort weiblichen Geschlechts, mit sexueller Aktivität verbunden und mit bestimmten nächtlichen Aktivitäten. Insgesamt ist die Lil(it)-Vorstellung recht vielfältig, einen guten Überblick bietet der Artikel von Henrike Frey-Anthes, Lilit in Wibilex.

In der ganzen Bibel kommt Lilit nur einmal vor, nämlich im schwierigen Abschnitt Jes 34,11-15 (Erwähnung V. 14): "Hier wird in einer prophetischen Rede geschildert, wie Edom der Vernichtung anheimfällt. Im Rahmen dieser Schilderung wird u.a. berichtet, welche unheimlichen und gefährlichen Tiere die Ruinen Edoms bevölkern und diese so unbewohnbar machen (Eulen und Raubvogel, Strauß, Schakal und Schlange [Wüstentiere], Wüstlinge, Heuler und Bock [Dämonen]. Unter diesen Wesen wird auch Lilit als Verkörperung der menschlichen Antigesellschaft genannt." (H. Frey-Anthes, Ebd.)

In der Religiosität des Vorderen Orients während der griechisch-römischen Zeit werden populäre Elemente verschiedenster Religionen miteinander vermischt; hier entwickelt Lilit auch im Judentum ein gewisses (neues) Eigenleben und wird zu einer Dämonin, die Männer verführt und kleine Kinder frisst (Belege bei Frey-Anthes).
In der Bibel wird diese Lehre nicht erwähnt, es gibt auch zwischen dem 3. Jh. v. Chr. und dem 1. Jh. n. Chr. keine (jüdischen) Schriftwerke, die sich mit Lilith auseinandersetzen, sondern lediglich kleinere religiöse Gelegenheitstexte, die zeigen, dass Lilith eher Gegenstand des alltäglichen Glaubens als der gelehrten Theologie war.

Erst in den Texten des rabbinischen Judentums (Belege bei Frey-Anthes), d.h. vom 1. Jh. n. Chr. an wird L. auch in theologischen Texten etwas breiter erwähnt, erscheint dort jedoch ausschließlich als männerverführende Teufelin. Dass sich die Rabbinen mit ihr auseinandersetzen, zeigt, dass sie recht populär gewesen sein muss, auch wenn sie keine biblische Grundlage hat.

 

Lilith als Adams Frau
Hier muss ich etwas weiter ausholen: Die Bibel berichtet (direkt hintereinander) in unterschiedlicher Weise von der Schöpfung und der Erschaffung von Mann und Frau. In Gen 1,1-2,3 wird die Schöpfung in sieben Tagen geschildert, wobei die Menschheit (Hebr. Adam) in ihrer männlichen und weiblichen Erscheinungsform gleichzeitig als Bild Gottes erschaffen wird (wie, wird nicht gesagt) und das letzte Schöpfungswerk bildet. Gen 2,4-3,24 erzählt noch einmal neu, ohne Tagzählung und lässt dort einen Menschen (hebr. Adam) als erstes von Gott gebildet werden, dann die Tiere und zum Schluss eine Frau aus Adams Rippe. Danach folgt die Paradieserzählung. Die Texte stammen - mit einer langen Vorgeschichte - nach heutigem Forschungsstand aus dem 6. Jh. v. Chr. (Gen 1) und aus dem späten 5./frühen 4. Jh. v. Chr. (Gen 2-3). Eine gute allgemein verständliche Analyse bietet: Andreas Schüle, Die Urgeschichte (Gen 1-11), Zürich 2009 (Zürcher Bibelkommentare).

Dass die beiden Texte sich nach unserer Logik widersprechen, war für das vorderorientalische Denken zunächst kein Problem, weil sie unterschiedliche Ziele verfolgen. Gen 1 drückt das Verhältnis der Menschheit als ganze zu Gott aus, Gen 2 das Verhältnis von Mann und Frau zueinander. Um diese unterschiedlichen Ziele zu verfolgen, muss man unterschiedlich erzählen. Mit etwas Mühe und gutem Willen kann man Gen 2 gewissermaßen als Präzisierung von Gen 1 auffassen (s. dazu Schüle).

Erst um die Zeitenwende (1.Jh. v. Chr/1. Jh. n. Chr.) begann man, das logische Problem der Abfolge der beiden Schöpfungserzählungen zu empfinden und kam zu dem Schluss, dass es nur so oder so geht. Das Problem wird bei den jüdischen und christlichen Schriftstellern unterschiedlich gelöst. Mal wird eine der beiden Erzählungen unterdrückt (so bei dem jüdischen Historiker Flavius Josephus), mal werden die Texte miteinander harmonisiert (so im jüdischen Jubiläenbuch). Eine gewisse Popularität erlangte die Ansicht des jüdischen Philosophen Philo (1. Jh. n. Chr.), nach dem die Menschheit zweimal geschaffen wurde, einmal als "Idee" (Gen 1) und einmal als konkrete Wesen (Gen 2). Dieses Konzept von den zwei Schöpfungen wurde sowohl im Christen- als auch im Judentum durch Antike und Mittelalter in immer neuen Variationen durchbuchstabiert.

In diesen Zusammenhang gehört das Motiv von Lilith als Frau Adams.
Belegt ist es zum ersten Mal in dem jüdischen Text aus dem Mittelalter "Alphabet des Jesus Sirach" (zwischen 700 und 1000 n.Chr.), der anscheinend eine Satire auf bestimmte Themen und Texte der rabbinischen Bibelauslegung ist. (Dt. Übersetzung: Dagmar Börner-Klein, Das Alphabet des Ben Sira: Hebräisch-deutsche Textausgabe mit einer Interpretation) Mit dem biblischen Buch Sirach hat es nichts zu tun, sondern borgt von ihm nur den Namen. Hier findet sich die Legende von Adam und Lilith zum ersten Mal, ich zitiere die Fassung aus wikipedia.com:

While God created Adam, who was alone, He said, 'It is not good for man to be alone' (Genesis 2:18). He also created a woman, from the earth, as He had created Adam himself, and called her Lilith. Adam and Lilith immediately began to fight. She said, 'I will not lie below,' and he said, 'I will not lie beneath you, but only on top. For you are fit only to be in the bottom position, while I am to be the superior one.' Lilith responded, 'We are equal to each other inasmuch as we were both created from the earth.' But they would not listen to one another. When Lilith saw this, she pronounced the Ineffable Name and flew away into the air. Adam stood in prayer before his Creator:
'Sovereign of the universe!' he said, 'the woman you gave me has run away.' At once, the Holy One, blessed be He, sent these three angels to bring her back.

"Said the Holy One to Adam, 'If she agrees to come back, what is made is good. If not, she must permit one hundred of her children to die every day.' The angels left God and pursued Lilith, whom they overtook in the midst of the sea, in the mighty waters wherein the Egyptians were destined to drown. They told her God's word, but she did not wish to return. The angels said, 'We shall drown you in the sea.'

"'Leave me!' she said. 'I was created only to cause sickness to infants. If the infant is male, I have dominion over him for eight days after his birth, and if female, for twenty days.'

"When the angels heard Lilith's words, they insisted she go back.
But she swore to them by the name of the living and eternal God:
'Whenever I see you or your names or your forms in an amulet, I will have no power over that infant.' She also agreed to have one hundred of her children die every day. Accordingly, every day one hundred demons perish, and for the same reason, we write the angels names on the amulets of young children. When Lilith sees their names, she remembers her oath, and the child recovers."

Es handelt sich dabei um eine der vielen Legenden, die sich an biblische Geschichten andocken und manchmal populärer (oder plausibler) werden als diese selbst. Goethe zitiert sie im "Faust", George Bernard Shaw macht noch einmal seine eigene Version daraus. Für (jüdisch-) feministische Theologie ist Lilith heute der positive Gegenentwurf zu Eva. Biblisch ist das alles nicht, aber interessant.

Herzliche Grüße!

Melanie Köhlmoos

 

Fragen zum Thema

Lieber Gerhard_G,   vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihre Anmerkungen zu den…
Lieber Herr Uher, herzlichen Dank für Ihre Frage. Sie beziehen sich damit auf die…
Lieber Herr Burger,   vielen Dank für Ihre vielen Fragen. Dafür, dass Sie…