Sehr geehrter Herr Muchlinksy,
Während des sogenannten "Erntebittgottesdienstes" der Landfrauen, haben diese berichtet, dass es das "informierte Beten" gibt, denn beim Weltgebetstag hätten sie vom "informierten Beten" gehört und wollen dies nun auch im Bereich der Landwirtschaft tun und die Probleme der Landfrauen im Gottesdienst thematisieren. Nach dem "informierten Beten" soll dann das "betende Handeln" ins Zentrum gerückt werden, wie dies ebenfalls beim Weltgebetstag geschieht. Die Landfrauen haben nach dem Gottesdienst gleich die Opferbüchse, genauer gesagt die Kollekte, in ihren Einkaufskorb gepackt. Meine Frage geht nun dahin, was das eigentlich genau sein soll
- informiertes Beten
- betendes Handeln
Ich habe den Eindruck, dass die Landfrauen ein Konzept des Weltgebetstages auf den eigenen Bereich, nämlich den Bereich der Landwirtschaft, nun versuchen umzusetzen. Ich kenne das Konzept vom "informierten Beten" und "betenden Handeln" allerdings nicht. Deshalb frage ich Sie als Experten! Vielleicht wissen Sie mehr über dieses Konzept.
Lieber Gast,
ein Experte für diese beiden Begriffe bin ich wahrlich auch nicht, aber zum Glück hat mir jemand geholfen. Frau Ulrike Kress gehört zum Team der Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für den Weltgebetstag der Frauen, und schrieb mir Folgendes zu Ihrer Frage:
Ulrike Kress wrote: Ich versuche mal zu erklären, was mit dem WGT-Slogan „Informiertes Beten – betend handeln“ gemeint ist. Ob er sich so ohne Weiteres auf einen Erntebitt- Gottesdienst übertragen lässt, müssten die Frauen dann selbst sehen.
Der WGT wird heute in 170 Ländern weltweit immer am ersten Freitag im März eines Jahres gefeiert. Die Liturgie wird jedes Jahr von christlichen Frauen aus einem anderen Land überlegt und niedergeschrieben. Dabei versuchen die Frauen aus den entsprechenden Ländern ihre Anliegen (die das Land und ihre Spiritualität betreffen) vorzubringen. Bsp. Chile 2011 „Wie viele Brote habt ihr?“ - (Konsequenzen für Chile aus der Pinochet-Zeit verarbeiten, auf aber auch auf weltpolitische Themen – Ernährungssouveränität- aufmerksam machen und Frauen zum Nachdenken bewegen). Die Gesamtkollekte dieser überall stattfindenden Gottesdienste (z.B. in Deutschland) fließt dann in verschiedene Projekte der Entwicklungszusammenarbeit (frauenstärkend, nachhaltig, geschlechtergerecht). „Informiert Beten – Betend Handeln“ bedeutet aber auch, dass die Feier des Gottesdienstes und das Engagement für Gerechtigkeit und Frauensolidarität untrennbar zusammengehören.Informiert beten heißt im einzelnen: Die Bildungsarbeit, die haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen im Vorfeld des WGT leisten, um BesucherInnen von Veranstaltungen (inkl. Gottesdienst) in die Lage zu versetzen, die Situation und damit die Anliegen der Frauen aus dem WGT-Land überhaupt zu verstehen. Dann aber auch den Transfer leisten zu können, das Thema auf sich selbst bzw. die Welt projizieren zu können. Quasi: Wenn ich etwas über Welternährung und Globalisierung weiß, dann kann ich anders beurteilen und beten- gezielt, weil ich weiß, wovon ich rede.
Betend handeln ist das, was sich anschließt: Aktiv werden. Aus der Gebetserfahrung heraus motiviert sein, etwas zu tun, z.B. sich in Kampagnen zu engagieren, politisch aktiv werden (Libanon-Landminenkampagne; Paraguay-Regenwaldkampagne; etc.). Dazu gehört natürlich auch die Projektarbeit des WGT selbst. Oder grundsätzlich den Lebensstil zu ändern (kein Fleisch mehr essen, regionale und saisonale Lebensmittel bevorzugen).Inwieweit sich das Konzept der Landfrauen soweit hinbiegen lässt, weiß ich nicht. Für mich stellt sich die Frage: Für wen stellten die Frauen eine Opferbüchse auf? Für sich selbst? Für Menschen in der Einen Welt? Welche Vorinformationen wollen sie geben? Wie politisch wollen sie sein? Spannende Ansätze fände ich natürlich über Ernährungssouveränität im Zusammenhang mit der deutschen Agrarpolitik zu sprechen. Aber das müssen die Frauen ja selbst entscheiden.
Ich hoffe, das hilft Ihnen beim Verstehen weiter. Sollten Sie noch mehr Fragen zum Konzept des Weltgebetstags haben, können Sie gern in der Zentrale in Stein anrufen. Die Nummer lautet: 0911/6806 – 301. Hier noch der Link zur Homepage.
Mit freundlichen Grüßen
Frank Muchlinsky