Hallo Herr Muchlinsky,
die sieben Worte Jesu am Kreuz
- Und um die neunte Stunde schrie Jesus laut: Eli, Eli, lama asabtani? Das heißt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? (Matthäus 27,46 und Markus 15,34)
- Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht was sie tun! (Lukas 23,34)
- Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein. (Lukas 23,43)
- Und Jesus rief laut: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! (Lukas 23,46)
- Als nun Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er lieb hatte, spricht er zu seiner Mutter: Frau, siehe, das ist dein Sohn! Danach spricht er zu dem Jünger: Siehe, das ist deine Mutter! (Johannes 19,26-27)
- Danach, als Jesus wusste, dass schon alles vollbracht war, spricht er, damit die Schrift erfüllt würde: Mich dürstet. (Johannes 19,28)
- Als nun Jesus den Essig genommen hatte sprach er: Es ist vollbracht!, und neigte das Haupt und verschied. (Johannes 19,30)
Diese sieben Worte Jesu am Kreuz sind meiner Meinung nach wichtige Sätze, die Jesus vor seinem Tod am Kreuz gesprochen hat. Irgendwie gehören die doch zusammen. Will man aber alle sieben Worte/Sätze, die Jesus am Kreuz gesagt hat wirklich zusammen haben, muss man den Text über Jesu Kreuzigung und Tod bei allen vier Evangelisten durcharbeiten. Nicht einer von ihnen hat wirklich alle sieben Worte Jesu am Kreuz in seinem Text nieder geschrieben.
Waren sich die vier Evangelisten über das, was Jesus in seinen letzten Stunden gesagt hat so wenig einig, so dass jeder von ihnen am Ende andere Worte und Sätze Jesu in seinen Text aufgenommen hat?
Waren die Vier so unterschiedlicher Ansicht über die Wichtigkeit der einzelnen Sätze Jesu, so dass am Ende jeder was anderes geschrieben hat, aber keiner von ihnen wirklich all das was Jesus gesagt hat?
Herzliche Grüße Susanne
Liebe Susanne,
Den letzten Worte eines Menschen vor seinem Tod messen wir große Bedeutung zu. Es gilt als so etwas wie die Zusammenfassung des gesamten Lebens eines Menschen, oder die letzte wichtige Botschaft. Martin Luther soll gesagt haben: "Wir sind Bettler, das ist wahr." Goethe soll um "mehr Licht!" gebeten haben. Um welche berühmten letzten Worte es auch geht, stets sollen sie eine Art Vermächtnis des Sterbenden sein.
Bei den Berichten über den Tod Jesu ist es nicht anders. Jeder der vier Evangelisten hat ja seine eigene Theologie, die er mit seiner Erzählung vom Leben, Sterben und Auferstehen Jesu transportieren will. Wir können davon ausgehen, dass keiner von ihnen dabei war, als Jesus starb. Aber alle haben eine Vorstellung davon, welche Bedeutung der Tod Jesu hat. Wir können also nur Vermutungen darüber anstellen, wie Jesus starb. Angesichts der überaus brutalen Hinrichtungsmethode können wir vermuten, dass es stimmt, was berichtet wird, dass Jesus schreiend starb. (Mt 27,50 und Mk 15,37).
Es ist nicht wahrscheinlich, dass der gehenkte Jesus noch viel geredet hat, bevor er starb. Darum, wie gesagt, wir können davon ausgehen, dass die Evangelisten Jesus hier jeweils in den Mund gelegt haben, was sie sonst von ihm wussten und für besonders wichtig erachteten. Das ist übrigens bei Luther oder Goethe nicht anders. Man möchte eben, dass große Personen mit wichtigen Sätzen auf den Lippen sterben.
Herzliche Grüße
Frank Muchlinsky