Guten Tag, bitte geben Sie mir die Antwort auf folgende Frage: Hat Gott mit dieser Welt überhaupt noch zu tun? Und wenn schon, wie zeigt sich das?
Lieber Thomas,
mich hat das „noch“ in Ihrer Frage aufmerksam werden lassen. Ich lese es so, dass Sie das Bild haben, „früher“ hätte Gott ganz viel – zumindest mehr als heute – mit der Welt zu tun gehabt, und heute sei das anders. Ich erlebe viele Menschen, die das denken. Vielleicht hängt diese Vorstellung damit zusammen, dass christliche Überlieferungen und Bildsprachen vorzeiten im individuellen und gesellschaftlichen Bewusstsein gegenwärtiger waren als sie es heute sind.
Der Status von Gottes Gegenwärtigkeit ändert sich dadurch allerdings nicht. Denn Gottes Wirken bindet sich nicht an die Wahrnehmungsfähigkeit von uns Menschen. Das ist auf der einen Seite ganz tröstlich – Gott will auch unerkannt handeln; auf der anderen Seite lässt dies aber auch immer wieder Menschen fragen, wie, wo und ob Gott denn überhaupt handelt.
Die Aussage, dass Gott handelt, ist eine Deutung. Mehr können Sie nicht bekommen, weniger aber auch nicht. In der Bibel wird eine Geschichte erzählt, in der ein Mensch nach dem Tod Abraham bittet, dass doch jemand von den Toten zurückkehre und der eigenen Familie erzähle, in welchem Sinne Gottes Handeln wahr sei, damit sie glauben. Und da heißt es dann: „Hören sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn jemand von den Toten auferstünde.“ (Lk 16, 31, die ganze Erzählung finden Sie hier: [Lk 16, 19-31]).
Für Ihre Frage bedeutet dies: Wenn Sie die Rede davon, dass Gott handelt, nicht für eine zulässige Deutung für das halten, was Sie selbst erleben und erfahren, dann überzeugt Sie auch kein Argument, und mag es noch so gut sein. Theologisch sagt man dazu: Der Glaube ist selbst ein Werk Gottes. Doch der Reihe nach!
Nehmen wir einmal an, Sie halten es für möglich, dass Gott handelt. Dann schließt sich Ihre zweite Frage an: Woran erkenne ich Gottes Handeln? In Analogie zum menschlichen Handeln kann es hilfreich sein, davon auszugehen, dass sich im Handeln Gottes etwas von seinem Wesen zeigt. So wie Sie ja gewiss auch von dem, was ein Mensch tut, darauf schließen, „was er für einer ist“ – mal mehr und mal weniger deutlich.
Wer Gott ist, wissen wir aus dem biblischen Zeugnis. Die christliche Tradition bezeugt Gott als Schöpfer, Erlöser und Versöhner der Welt (das ist jetzt ganz plakativ geschrieben und ließe sich noch weiter differenzieren).
Das bedeutet in Bezug auf Gottes Handeln: Dass Gott Schöpfer ist, zeigt sich daran, dass er schöpferisch tätig ist – ich verdanke mein Leben nicht mir selbst; die Tatsache, nicht nur jetzt, sondern auch im nächsten Moment noch zu leben, ist Resultat göttlichen Willens: Ich lebe – so Gott will. Gottes Handeln begründet meine Existenz.
Zweitens: Gott offenbart sich, d.h. er zeigt etwas von sich und damit etwas von dem, was wahr ist. ChristInnen glauben daran, dass wir an Jesus Christus, wie er gelebt hat und was sein Schicksal war, erkennen können, wie Gott es mit uns meint. Dass uns Wahrheit zugänglich ist, ist auf Gottes Handeln zurückzuführen.
Schließlich: Von Gottes Geist wird Gegenwart bei uns Menschen ausgesagt durch Mahnung und Trost. Gott handelt „inspirierend“ – nur weil dem so ist, können wir überhaupt etwas und jemandem trauen, können wir Gewissheiten ausprägen und selbst handeln.
Gottes Handeln kommt also nicht zu unserer Wirklichkeit hinzu, so „als ob da dann noch jemand ist, der mitmischt“ – sondern Gott schafft unsere Wirklichkeit selbst. Und das ist heute nicht anders als es je gewesen ist.
Für Sie plausible Entdeckungen mit Gottes Handeln wünscht
Ihre Friederike Erichsen-Wendt