Guten Tag, in Andachten, Predigten usw. ist immer wieder davon die Rede, dass Gott uns Menschen bedingungslos liebt. Das hört sich gut an, aber für mich ist dies mit einem großen Fragezeichen verbunden.
Am Ende des ersten Schöpfungsberichtes wird zwar darüber berichtet, dass Gott nach der Erschaffung des Menschen zum Ergebnis kommt: "Sehr gut". Durch den Sündenfall trifft aber dieses Prädikat nicht mehr auf uns Menschen zu. Gott und Mensch passen nicht mehr zusammen. Die Sünde hat die ewige Gemeinschaft zerstört. Deshalb hat Gott seinen Sohn in die Welt gesandt, damit Menschen durch den Glauben an ihn diese Gemeinschaft wieder erfahren können, nicht nur jetzt, sondern in Ewigkeit.
Aber die Bedingung dafür ist doch, dass ich als Mensch erst einmal zu der Erkenntnis kommen muss, dass etwas zwischen Gott und mir steht, dass ich ein Sünder bin. Im nächsten Schritt geht es darum, dass ich diesen Zustand vor Gott benenne und bekenne und um Vergebung bitte. Und erst dann ist diese Gemeinschaft wieder hergestellt. Von daher verstehe ich nicht, warum von einer bedingungslosen Liebe die Rede ist, denn darunter verstehe ich: "Ich liebe dich so, wie du bist und mit allem, was dich ausmacht, was zu dir gehört. Punkt." - und nicht: Ich liebe dich, aber du musst erst noch...
Lieber Ruben,
das ist eine spannende Frage. Denn, Sie haben Recht, auf den ersten Blick, scheinen sich da zwei Aussagen zu widersprechen. Auf der einen Seite wird von der bedingungslosen Liebe Gottes gesprochen, und auf der anderen Seite brauchen wir den Glauben, um zu Gott zu finden. Denn ohne den Glauben, steht die Sünde zwischen Gott und Mensch.
Biblisch wird der Bruch zwischen Gott und dem Menschen im Sündenfall erzählt. Der Mensch wendet sich von Gott ab. Sie haben dabei gut beschrieben, was Sünde bedeutet: Der Beziehung zu Gott steht etwas im Weg. Alle Dinge, die uns von Gott trennen, sind Sünde.
Und zur Wiederherstellung dieser Beziehung brauchen wir den Glauben. Das betont schon Paulus in seinem Brief an die Römer. Paulus versucht zu erklären, dass es keine guten Werke braucht, um zu Gott zu gehören, sondern „allein durch den Glauben“ (Röm 3,28) kommt der Mensch zu Gott.
Doch auch hier kann man sich fragen, ob der Mensch dann nicht doch etwas tun muss, um mit Gott in Beziehung zu treten, nämlich glauben. Und ja, der Glauben ist wichtig und notwendig für die Beziehung. Der Mensch braucht den Glauben, um Gott zu lieben. Die Frage ist aber: Hängt denn auch Gottes Liebe von dem Glauben ab? Das glaube ich nicht.
Im Evangelium nach Johannes heißt es: „Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab.“ (Joh 3,16). Gott wollte die Sünde aus der Welt schaffen, weil er die Menschen liebt und zwar obwohl sie Sünder sind. Gerade im Tod Jesu Christi zeigt sich die bedingungslose Liebe Gottes.
Aber zu einer Beziehung gehören zwei: Gott und die Menschen. Gott liebt die Menschen bedingungslos – die Menschen merken das aber nicht, weil die Sünde sie von Gott trennt. Deswegen braucht es den Glauben. Wichtig dabei ist: Gott zwingt dem Menschen nicht, den Glauben anzunehmen. Das muss jeder Mensch persönlich entscheiden. Gott gibt ihnen die Möglichkeit zum Glauben.
Ist der Glauben also die Bedingung für die Liebe Gottes? Nein, der Glaube ist kein „Werk“, das wir tun müssen, damit Gott uns liebt. Seine Liebe ist schon vorher da. Aber im Glauben wird dem Menschen möglich, auch Gott zu lieben und sich wieder auf Gott einzulassen. Der Glaube ist die Bedingung dafür, dass wir Gottes Liebe spüren.
Zuletzt bleibt noch Ihre Frage, lieber Ruben, ob Gott zu uns sagt: „Ich liebe dich so, wie du bist und mit allem, was dich ausmacht, was zu dir gehört“? Denn der Glaube verändert den Menschen. Wir bleiben nicht gleich, wenn wir zu glauben beginnen. Ich würde jedoch sagen, dass der Glaube dem Menschen bewusst macht, wer er wirklich ist und zwar ein geliebtes Kind Gottes. Und diese Erkenntnis verändert uns und unser Verhalten. Zugleich sind wir auch nicht plötzlich perfekt. Und das müssen wir auch nicht, denn aller Veränderung geht die Liebe Gottes bedingungslos voraus und bleibt.
Herzliche Grüße,
Britta Kirchner