Wie heiligt man den Sonntag richtig?

Marita
Füße ruhen auf Couchtisch
© Christopher Ames/iStockphoto/Getty Images

Lieber Herr Muchlinsky,
immer wieder frage ich mich, was es eigentlich bedeutet, den Feiertag zu heiligen.
Einer meiner Freunde kauft zum Beispiel an Feiertagen keine Brötchen , eine Freundin sagt: "Wenn ich Sonntags bügele, höre ich dabei Lobpreislieder."

Nun haben wir in meinem Hauskreis darüber diskutiert, ob es tatsächlich der ganze Sonntag sein muss, den ich mit "Gottesdienst und geistlichen Dingen" verbringen soll oder ob Gott uns auffordert, regelmäßig Zeit mit ihm zu verbringen, um in Beziehung mit ihm zu bleiben.

Was haben Sie für Gedanken dazu?
Lieber Gruß,

Marita

Liebe Marita,

das ist eine spannende Frage. Die Antwort muss ein wenig ausführlicher werden, denn das Christentum geht mit dem biblischen Feiertagsgebot auf besondere Art und Weise um.

In der Bibel wird zweimal begründet, dass man am Schabbat (Sabbat) nicht arbeiten soll: In der ersten Auflistung der Zehn Gebote im 2. Buch Mose wird gesagt, dass man am Schabbat ruhen soll, weil Gott am Ende der Schöpfung ruhte. (2. Mose 20,8-11). Im 5. Buch Mose, wo die 10 Gebote noch einmal aufgelistet sind, kommt ein weiterer Aspekt dazu: Das Gebot gilt nicht nur für die gläubigen Israeliten, sondern für alle, die im Land leben. Auch die Fremden, selbst die Sklaven und die Tiere sollen an dem Tag ruhen, damit sich Israel daran erinnern kann, dass sie selbst einmal Sklaven in Ägypten waren, und dass Gott sie befreit hat. (5. Mose 5,12-15) Die Schabbatruhe hat also auch eine soziale Komponente. In dieser Tradition stand auch Jesus. In den Auseinandersetzungen, die er zu dem Thema mit anderen Theologen führte, ging es ihm darum, das Gebot nicht um seiner selbst willen und gegen eine eventuelle akute Not durchzusetzen. Er betonte, dass der Schabbat eben für den Menschen geschaffen wurde. 

Nun ist der Sonntag aber nicht der Schabbat, sondern es ist der Tag nach dem Schabbat. Das Christentum feiert an diesem Tag Gottesdienste, weil es der Tag der Auferstehung Jesu ist. Geruht wurde an dem Tag zunächst nicht. Man traf sich abends, um gemeinsam das Abendmahl zu feiern. Das änderte sich erst nach dreihundert Jahren und zwar durch eine staatliche Entscheidung. Der römische Kaiser Konstantin verband den sonntäglichen Gottesdienst mit einem allgemeinen Ruhetag. So verschob sich in der christlich dominierten Welt der Ruhetag vom Schabbat auf den Sonntag. 

Ich erzähle das alles, weil es wichtig ist sich klarzumachen, dass im christlichen Zusammenhang Arbeitsruhe und Sonntag nicht untrennbar verbunden sind. Im Christentum geht es vielmehr darum, am Sonntag einen Gottesdienst zu besuchen. Das muss man nicht als Zwang verstehen. Luther schrieb in seinem Kleinen Katechismus: "Du sollst den Feiertag heiligen. – Was ist das? – Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir die Predigt und sein Wort nicht verachten, sondern es heilig halten, gerne hören und lernen." Insofern kann man sagen, dass Ihre Freundin es in diesem Sinne richtig macht, wenn sie am Sonntag Lobpreislieder hört. Besser wäre es freilich, wenn sie mitsingen würde und noch besser, wenn sie mit anderen zusammen in einem Gottesdienst singen würde. Den Sonntag zu heiligen heißt, sich Gott zuzuwenden, am besten in der Gemeinschaft mit den anderen Gläubigen. 

Das Ruhegebot für den Sonntag hat zwar seine Wurzel im Christentum, ist aber zu einem allgemeinen kulturellen Gut geworden. Die Sonntagsruhe in Deutschland ist im Grundgesetz festgeschrieben. In Artikel 140 steht, dass der Artikel 139 der Weimarer Verfassung auch für die Bundesrepublik Deutschland gilt. In dem heißt es: "Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt." (Artikel 140 Grundgesetz). Ähnlich wie im 5. Buch Mose gilt das Gesetz also für alle im Land, egal ob christlich oder nicht. Sich daran zu halten, ist also nicht unbedingt eine Frage des Glaubens, und darum kann man durchaus im Rahmen der geltenden Gesetze am Sonntag Brötchen kaufen. Es nicht zu tun, ist eine freie Entscheidung, die man niemand anderem aufzwingen kann, genauso wenig wie den Gottesdienstbesuch. 

Ich finde es gut, dass wir einen Tag in der Woche haben, der besonders ist. Es ist auch für unsere Gesellschaft gut, dass wir einmal in der Woche nicht alles das machen, was wir auch sonst tun. Insofern ist der Sonntag eben doch wie der Schabbat: Zeit gemeinsam runterzukommen, einfach mal nichts zu müssen und sich an dem zu freuen, was man die Woche über geschafft hat. Und ja, ich weiß, dass es viele Menschen gibt, die am Sonntag arbeiten müssen. Aber das sollten diejenigen sein, ohne deren Arbeit es nicht geht. Der Schabbat ist eben für den Menschen da, nicht umgekehrt.

Viel habe ich geschrieben. Darum hier noch einmal konkret und in Kurzfassung:
Man kann den Sonntag durchaus auch mit anderen Dingen verbringen, als mit geistlichen. 

Gott will, dass wir regelmäßig Zeit mit ihm verbringen, am besten einmal die Woche.

Sehr herzliche Grüße!

Frank Muchlinsky

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