Wird Judas vergeben?

rené

Sehr geehrter Herr Muchlinsky,

Vergibt Gott jedem, der (be)reut? Judas bereut seine Taten, oder? Wird auch ihm vergeben werden? Kann einem Selbstmörder generell vergeben werden? Wird dem Mörder eher vergeben als dem Selbstmörder?

Mit freundlichen Grüßen

Lieber René,

 

Gottes Liebe ist unendlich viel größer als alles, wozu wir Menschen fähig sind, und dabei können wir schon sehr lieben. Die Geschichten, die Jesus erzählt, handeln immer wieder davon: Wo Menschen sich aufregen, vergibt Gott trotzdem. Und Jesus selbst? Die Bibel sagt, er habe noch am Kreuz gerufen: "Vater, vergib ihnen!" (Lk 23,34) Ich kann mir vorstellen, dass er damit auch den meinte, der ihn verraten hat.

Es gibt zahlreiche Überlegungen, ob nicht der Verrat des Judas sogar sein musste, damit der "Heilsplan" Gottes gelingen konnte. Jesus musste verraten werden, damit er am Kreuz sterben konnte. Die Sünde, die Jesus auf sich nahm, wurde so nur noch größer, also auch die Bedeutung seines Todes.

Und, wie Sie richtig sagen, hat Judas seine Tat bereut. Das ist ein sehr wichtiger Schritt, wenn es um Vergebung geht. Sie ist nicht zuletzt dafür wichtig, dass die Wunden heilen können. Dazu kam es bei Judas leider nicht. Ganz gleich, ob Gott ihm verziehen hat oder nicht, er selbst konnte nicht verzeihen. Er selbst konnte nicht mit seiner Schuld leben. Nach dem Bericht im Matthäusevangelium erhängte er sich, nachdem er sich seiner Schuld bewusst wurde. (Mt 27,5)

 

Interessanterweise erzählt Matthäus die Geschichte so, dass Judas mit seiner Schuld in den Tempel geht. Dort ist schließlich der Ort, an dem man als frommer Jude seine Schuld vor Gott brachte und loswurde. Aber die Hohepriester verweigern Judas die Lossprechung. Sie gehen höchst brutal mit ihm um und sagen: "Was geht's uns an? Sie du zu!" (Mt 27,4) Und genau da haben wir es wieder, was Jesus immer sagte: Gott ist unendlich viel liebevoller als die Menschen. Er ist großzügiger und vergibt ganz anders als Menschen, die häufig über die eigene Person nicht hinausschauen können.

Judas Verzweiflung, die zu seinem Selbstmord führte, war eine Konsequenz aus seiner Schuld und der Hartherzigkeit anderer. Seine Selbsttötung war keine Sünde, sie war höchstens der verzweifelte Versuch einer Wiedergutmachung, weil er, wie er den Hohepriestern sagte "unschuldige Blut vergossen" hatte. Dabei war es gerade das Blut Jesu, durch das seine Sünde von ihm genommen wurde. Leider konnte ihm das niemand mehr sagen, aber ich bin mir sicher, dass Gott ihm seinen Selbstmord nicht vorhalten wird, sondern ihm eher deutlich macht, wie unnötig er war.

 

Gestatten Sie mir einen aktuellen Bezug, nach dem Sie nicht ausdrücklich gefragt haben: Gerade wird in Deutschland eine Debatte geführt, ob man Menschen aufnehmen soll, die zur Gefahr werden könnten. Man will sich diejenigen möglichst genau anschauen, die bei uns Schutz suchen, bevor man sie aufnimmt. Jesus tat das nicht. Jesus suchte sich Judas aus als einen der engsten Freunde. Hat er es bedauert? Oder war es ein Teil des großen Heilsplanes? Ich kann das nicht mit Sicherheit sagen. Was ich aber weiß, ist dass Judas und sein Verrat das Heil nicht aufgehalten haben. Gottes großes Heil für alle Menschen kann nicht aufgehalten werden durch den Verrat und die Gewalt von Menschen.

 

Herzliche Grüße

Frank Muchlinsky

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