Lieber Pfarrer Muchlinsky,
ich besuche recht regelmäßig den Sonntagsgottesdienst. Eine Frage beschäftigt mich aber schon länger. Wenn das Gloria gesungen wird, bin ich nie sicher, welcher Text dran ist. Oft ist die Nummer nicht angeschlagen, trotzdem wissen die meisten Leute unserer Gemeinde, welches Lied gesungen wird. So hatten wir die Nummer 179 (1. Strophe aber auch schon 2. Strophe) aus dem Gesangbuch ebenso wie die Nummer 180.2. Gibt es da eine genaue Regel oder woher wissen die Leute, ob die erste oder zweite Strophe der Nummer 179 gesungen wird, wenn es nicht angeschlagen steht?
Vielen Dank vorab für Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Karina
Liebe Karina,
vielen Dank für Ihre Frage, die ich sehr gut verstehen kann. Manches Mal hat man das Gefühl alle wissen Bescheid, nur man selbst nicht recht. Nicht selten geht das auch mir so, wenn ich z.B. in einer mir fremden Gemeinde zum Gottesdienst gehe und auch dort nicht so recht in die Abläufe eingeweiht bin. Zwar kann ich mir meist alles erschließen, aber der genaue Ablauf ist mir auch nicht immer klar, wenn ich durch die Tür die Kirche betrete.
Damit sind wir auch schon am entscheidenden Punkt Ihrer Frage. Denn man könnte fast sagen, dass es so viele verschiedene Gottesdienstabläufe gibt, wie es auch Gemeinden gibt. Natürlich gibt es Richtlinien, aber trotzdem gestaltet jede Gemeinde ihren Gottesdienst ein wenig individuell. Die Struktur der evangelischen Kirchen in Deutschland setzt sich aus verschiedenen Gliedkirchen oder auch Landeskirchen genannt, zusammen. Diese können, sowohl von ihrer Konfession, als auch von ihren Abläufen verschieden sein. So handelt es sich bei der evangelischen Kirche im Rheinland zum Beispiel um eine unierte Landeskirche und bei der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern um eine lutherische Kirche. Dementsprechend können auch die Liturgie und Gottesdienstabläufe teilweise verschieden sein.
Grundsätzlich obliegt die Gestaltung des Gottesdienstes jedoch der (Pfarr-)Person, die den Gottesdienst hält. Sie orientiert sich dabei an der sogenannten Agende, die die Vereinigte evangelisch-lutherische Kirche in Deutschland (VELKD) herausgibt. Dort heißt es zum Gloria, welches nach dem Kyrie folgt, dass es im Wechsel zwischen einer Einzelstimme oder einem Chor und der Gemeinde gesungen wird. Man singt aus dem Evangelischen Gesangbuch (EG) 180.1-4 "Ehre sei Gott in der Höhe - und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen". Die Gemeinde singt anschließend das Laudamus (EG 180.1) oder ein Glorialied (EG 179, 180.2-4). In der Fastenzeit entfällt das Gloria.
Es spielen also verschiedene Faktoren eine Rolle, wenn es um das Gloria geht.
1. Verschiedene Gemeinden haben verschiedene Traditionen.
2. Die Vorgaben der Agende sind interpretationsfähig.
3. Die Person, die den Gottesdienst vorbereitet und hält entscheidet welches Gloria gesungen wird.
Mein Tipp für Ihren nächsten Gottesdienstbesuch: in manchen Gemeinden gibt es entweder ganz vorn oder ganz hinten im Gesangbuch, welches Ihnen zu Beginn ausgehändigt wird, einen Gottesdienstablauf. Mit diesem können Sie normalerweise gut folgen. Oder fragen Sie direkt, wenn Ihnen das Gesangbuch gereicht wird, nach der Liturgie. Vielleicht gibt es ein Informationsblatt, auf dem alles aufgelistet und beschrieben ist, so dass Sie gut folgen können.
Und wenn sich Ihnen weiterhin der Ablauf und die Wahl des Glorias nicht erschließt, dann sprechen Sie gern Ihre Pfarrerin oder Ihren Pfarrer darauf an und fragen Sie nach.
Ich wünsche Ihnen viele spannende Gottesdienste,
Pia Heu