Warum beten, wenn alles sowieso nach dem Plan des allwissenden Gottes verläuft? Er lässt sich ja nicht beeinflussen, oder? Das scheint mir etwas unlogisch.
Hallo Mr. Insta,
da sind Sie ja mitten hineingesprungen in eine der ganz großen grundsätzlichen Diskussionen der Theologie (und auch der Pholosophie samt Hirnforschung und und und....). Und wieder besteht die Kunst des Fragen-Beantwortens in der Kürze. Ich versuch' es gern für Sie!
Sie sind über einen scheinbaren Widerspruch gestolpert, der sich aus der Grundannahme ergibt, dass Gott alles vorherbestimmt hat, weil Gott allwissend ist und alles, was geschieht, in einem Plan festgehalten hat. Wenn dem so ist, wozu dient dann ein Gebet, in dem ein Mensch Gott bittet, Dinge so oder so zu wenden. Das ist unlogisch - so erscheint es Ihnen.
Ich will mal versuchen, den Weg genau so auf meine Art zu gehen - dabei komme ich als Antwortende ins Spiel und kann nicht immer nur allgemein bleiben - andere haben dann natürlich andere Meinungen. "Gott ist allwissend und alles verläuft nach seinem Plan". Vielen sträubt sich bei einer solchen Aussage sämtliches auf der Haut befindliche Haar. Mir auch. Als Menschen im Jahr 2018 wird uns doch ständig unsere Verantwortung und unsere Wahlmöglichkeit vor die Nase gehalten. Wenn ich jetzt aber als Christin überlege, dann sage ich mir, dass ich nicht glauben kann, dass Gott in einem Plan jeden meiner Atemzüge und jeden meiner Schritte schon festgelegt hat, bevor ich geboren wurde. Sondern dass Gott sich über die Gesamtheit meines Lebens gestellt hat und zu mir (wie auch zu allen anderen!) gesagt hat: Du bist mein Geschöpf, mein Gedanke, mein geliebter Mensch. Und damit komme ich sozusagen von Gott und gehe wieder zu Gott hin. Und in meiner Lebenszeit ist meine Aufgabe, das zu nutzen, was mir mit dem Menschsein verliehen wurde: Meine Talente, Gaben, meine Kraft und meine Liebe zu nutzen, um hier gut mit den anderen zusammen zu leben. Im Epheserbrief des Neuen Testaments lesen wir: Denn wir gehören zu Christus. Und weil wir zu ihm gehören, hat Gott uns bereits erwählt, bevor die Welt erschaffen wurde.Denn wir sollen heilig und makellos vor ihn treten können in der Liebe. Er hat uns im Voraus dazu bestimmt,seine Kinder zu werden.Durch Jesus Christus hat er uns dazu gemacht –zu ihm sollen wir gehören.So gefiel es Gott, und das war sein Wille. (Epheser 1,4-5)).
Der Plan Gottes besteht also nicht darin, alles längst vorher festgelegt zu haben, sondern darin, dass wir in seiner Gemeinschaft in jedem Augenblick Neues schaffen. Und das tun wir, wenn wir auf die Gabe seiner Liebe durch unsere Liebe für andere antworten und uns das handeln lässt. Dabei ist Gott in jedem Atemzug mit uns. Lesen Sie die wunderbaren Worte des Propheten Jeremia (Jeremia 9,9-10) - Gott kennt uns und alles, was wir denken und fühlen. Dieses Mit-uns-sein ist aber nicht dasselbe wie eine ständige Kontrolle, sondern eher ein immerwährendes Aufgehobensein in etwas Größerem als wir selbst. Ich hoffe, Sie können das in ihr Bild vom "allwissenden Gott mit Plan" auch ein wenig integrieren.
Nun zum Gebet. Ich denke, Sie merken schon, dass von einem veränderten Grundstandpunkt aus sich auch die Sicht auf das Gebet ändert. Wenn ich "Gottes Plan-Marionette" wäre, dann bräuchte ich in der Tat nicht beten - wozu dann auch? Doch in allen christlichen Gottesdiensten überall auf der Welt hören Sie ein Gebet, das Jesus uns selbst gelehrt hat: Das Vaterunser. Und Jesus hat auch sonst viel über das Beten gesprochen, das überliefert uns die Bibel. Das ist dann schon mal der wichtigste Hinweis darauf, dass das wichtig ist und dass Gott darauf wartet, dass sich Menschen an ihn wenden und auch hört, mit welchen Anliegen sie kommen.
Und die Anliegen? Warum erfüllen sich nicht alle Anliegen, die ich in einem kleinen Stoßgebet erbitte? Und nicht nur die kleinen! Auch viele meiner großen und lebenslangen Wünsche sind bisher nicht erfüllt. Oder? Bereitet sich da vielleicht längst etwas vor und ich kann es einfach noch nicht sehen? Ich glaube, es ist Gott wichtig, dass wir immer wieder in Kontakt kommen. Dass wir ihm anvertrauen, wonach wir uns sehnen. Denn vielleicht beginnen die ganz großen Änderungen ganz klein. Durch immer-wieder-Beten, immer-wieder-Nachdenken. Und schließlich wird dadurch etwas Hartes dann doch weicher, etwas Dunkles heller. Das ist die "Arbeit des Gebets". Ich will hier aber nicht schließen, ohne auch die dunklen Seiten anklingen zu lassen: Auch in ganz schrecklichen Dingen wendet Gebet manchmal nicht das, was wir befürchten. Und dann müssen wir aushalten, dass es doch passiert. Und aushalten, dass wir uns nun doppelt verlassen und un-gehört fühlen. Selbst Jesus hat das durchmachen müssen. Und dafür reichen dann auch manchmal Worte nicht mehr. Aber Gott bleibt da.
Herzliche Grüße!
Veronika Ullmann