Guten Tag sehr geehrte Frau Heu,
schon von Kindesbeinen an war mir bewusst, dass ich Pfarrer (Württembergische Landeskirche) werden möchte.
Nun möchte ich aber nicht den klassischen Weg des Theologiestudiums gehen, sondern Theologie im Rahmen des Religions-und Gemeindepädagogikstudiums einschlagen. Da es mir wichtig ist schon vorher etwas in der Kirche und Gemeinde zu bewegen, damit Menschen zu Gott und ihrem Glauben finden können. Ich sollte acht Jahre Erfahrungen im Beruf des Diakons/Jugendreferent sammeln, um mich als Pfarrer berufen zu lassen. Nun möchte ich gerne von Ihnen wissen, wie Sie meinen Weg zum Pfarrberuf finden? Man hat halt mit dieser Art von Theologiestudium viele Möglichkeiten einen theologischen Beruf auszuüben und man hat sämtliche Erfahrungen im Voraus gesammelt.
Über Ihre persönliche Meinung würde ich mich sehr freuen!
Mit freundlichen Grüßen
Thorsten
Lieber Thorsten,
ich danke Ihnen für Ihre Frage und Ihr Interesse an meiner Meinung. Gern schreibe ich Ihnen einige Zeilen dazu.
Zunächst haben Sie mir natürlich als späterer Pfarrer einiges voraus. Sie haben also acht Jahre Gemeindeerfahrung, die ich nur als ehrenamtliche Mitarbeiterin vorweisen kann. Sie haben wahrscheinlich schon einige andere Strukturen und Einblicke mitbekommen, die ich wahrscheinlich erst im Vikariat oder mit der ersten Pfarrstelle entdecken werde. Ich glaube, dass Ihnen das viel Sicherheit geben wird, wenn Sie als Pfarrer arbeiten und agieren werden.
Dem gegenüber habe ich nun schon mehrere Jahre die Theologie auf einer theoretischen und häufig sehr abstrakten Ebene studiert. In einer kirchlichen Abschlussprüfung werde ich darin geprüft, ob ich einen biblischen Text in seiner Ursprache historisch-kritisch exegesieren und synchron einordnen kann, ob ich mich theologiegeschichtlich so gut auskenne, dass ich die Genese des Christentums und kirchlicher Strukturen, so wie wir sie heute vorfinden, erklären kann, ob ich eine Predigt oder eine Unterrichtsstunde in der Schule fachwissenschaftlich und didaktisch-methodisch kompetent vorbereiten und formulieren kann, ob ich mich wissenschaftlich fundiert, als auch (selbst-)reflektiert zu einem ethisch-relevanten und diskutierten Thema aus einer christlichen Perspektive positionieren kann und Vieles mehr. Wenn ich Sie richtig verstehe, dann bleibt Ihnen diese Prüfung auf Herz und Nieren erspart und Sie würden nach dem Dienst in der Gemeinde direkt ordiniert, oder? Das scheint mir der Kernunterschied zu sein.
Damit können Sie eines sicherstellen, was ich, und ich würde es auch einer Vielzahl meiner Komillitonnen unterstellen, nicht kann: sichergehen, dass ich im gemeindlichen Kontext auskommen werden. Natürlich gibt es immer auch Studierende, die sich der Theologie als Wissenschaft widmen und das Pfarramt nicht anstreben, aber wer sich eine Zukunft als Pfarrperson wünscht, der/die hat zumeist noch keine acht Jahre in einer Gemeinde gearbeitet. Es sind die wenigstens, denen dies bereits vergönnt war.
Mich interessiert die Wissenschaft der Theologie sehr! Deshalb besuche ich jedes Seminar und jede Vorlesung mit großem Interesse und mit Begeisterung. Und das möchte ich als Motivation für die Vorbereitung der Abschlussprüfung, nennen wir diese erstes kirchliches Examen, nutzen. Ebenso auch für eine spätere Arbeit im gemeindlichen Kontext. Ich weiß, dass ich einiges von dem, was ich in den vergangenen Jahren gelernt und erarbeitet habe, im Beruf nicht brauchen werde, trotzdem hat es mich entscheidend geprägt und macht aus mir, was ich bin.
Wenn Sie finden, dass Sie abstrakte theologische Gedankenkonstrukte, mehr Fragen als Antworten, eher abschrecken, Sie aber in der pastoralen Arbeit Ihre Erfüllung finden, dann sollten Sie Ihren Weg gehen.
Dafür wünsche ich Ihnen alles Gute.
Pia Heu