Hallo,
mein Glaube war mir immer wichtig. Also, ich war nie Kirchgängerin und auch nie jemand, die vom Bibellesen übermäßig profitiert hat, da in der Bibel aus meiner Sicht viel steht, was isoliert und wörtlich betrachtet irreführend interpretiert werden kann (ich bin für eine Betrachtung der Bibel im historischen Kontext und als Ganzes).
Ich glaube an einen unendlich wundervollen Gott, der uns alle liebt, annimmt und vereint. Aber ich habe das Gefühl, ich "verliere" das ein wenig. Nicht den Glauben, aber die Relevanz davon. Stattdessen fühle ich mich vermehrt sinnsuchend. Ich vergesse das Beten abendlich (das mir oft gut tat, aber ich habe immer weniger Lust dazu und es fühlt sich auch nicht mehr an wie früher) und ich vermisse die Ruhe und Zuversicht, die der Glaube mir früher gab. Ich weiß auch, dass ich dafür beten kann, aber bisher bringt mir das wenig, der Glaube geht mehr und mehr unter und damit auch der innere Halt.
Ich habe eine nicht so einfache Zeit hinter mir. Verlust von 2 Partnerschaften, eine psych. Diagnose, ganz viele Fragen, Unklarheit wo mein Leben hingehen soll. Irgendwie fehlt mir da gerade ganz viel Orientierung, und erst da mir jetzt gerade beim Schreiben hier die Tränen kommen, merke ich, wie haltlos und unsicher ich mich tatsächlich fühle.
Vielleicht haben Sie ja einen Tipp, wie ich hier wieder Festigkeit und eine Richtung finden kann. Und wie ich Gott wieder mehr spüren kann. Denn ich spüre ihn nicht, kann mich aber auch nicht aufraffen, ihn mehr zu suchen. Ich will ihn ja nicht suchen, ich will ihn einfach spüren, für eine Suche habe ich gerade "keinen Nerv" (nimmt Gott mir das übel, wenn ich das so sage?).
Danke und alles Liebe für Sie.
S.
Liebe S.,
herzlichen Dank für Deine Zeilen. Sie haben mich beim Lesen sehr berührt. Wenn uns im Leben durch Ereignisse wie Du sie beschreibst, eine Zeit lang der Boden unter den Füßen fehlt, dann kann sich das genauso anfühlen, wie Du es gerade erlebst. Gott kann dann unendlich fern scheinen oder gar nicht mehr spürbar. Nicht umsonst spricht man ja davon, dass Gott der Grund ist, der trägt. Wenn man eine zeitlang in der Luft hängt, dann scheint dieser Grund zu fehlen.
Du beschreibst sehr eindrücklich Dein Gottesbild. Ein unendlich wundervoller Gott, der uns alle liebt, annimmt und vereint, schreibst Du. Nach Trennungen ist es ja gerade diese liebende Annahme, die fehlt. Ich stelle mir Gott auch so vor wie Du. Aber für mich hat Gott auch noch eine andere Seite. Ich glaube, dass Gott nicht nur als Kraft in meinem Leben spürbar wird, die alles zum Guten führt, sondern dass Gott gerade in den schmerzvollen Augenblicken mit dabei ist. Vielleicht nicht immer so spürbar wie in Momenten größten Glücks, eher wie eine Freundin, die schweigend am anderen Ende des Telefons sitzt, wenn ich verzweifelt bin. Vielleicht gibt es Augenblicke im Leben, in denen Gott mitten in dem Gefühl ist, dass er fehlt, mitten in dieser Sehnsucht. So stelle ich mir das zumindest vor.
Du hast ja noch eine ganz praktische Frage gestellt. Du wünschst Dir, Gott wieder spüren zu können und Du beschreibst, dass Du zu kraftlos bist um zu suchen. (Übrigens bin ich überzeugt davon, dass Gott Dir das nicht übel nimmt, wenn Du sagst, dass Du "keinen Nerv" auf die Suche hast.) Wie Du Dir vorstellen kannst, habe ich keine Patentlösung für Dich parat, wie das geht. Gott spüren zu können, lässt sich ja eben nicht herbeibeten. Wenn ich bete ist das ja meistens schon eine Antwort auf mein Gefühl, dass Gott mir nahe ist. Wie auf Knopfdruck herstellen kann ich dieses Gefühl nicht. Aber ich kann mich erinnern, in welchen Situationen ich es hatte.
Ich hab Gottes Gegenwart in meinem Leben besonders gespürt in Momenten mit Menschen, die mir am Herzen liegen sind und Musik ist wichtig bei mir. Wenn ich mich ganz in einer Musik verliere (z.B. bei Tom Waits oder Mendelssohn Elias), dann würde ich das, was ich da empfinde Gottes Nähe nennen. Vielleicht gibt es für dich auch solche besonderen Augenblicke, die Dir gut tun und die Du gezielt suchen und genießen kannst. Auch dann ist das sicher kein Selbstläufer, aber vielleicht spürst Du wieder etwas von dem, was dich so lange verlässlich getragen hat und wonach Du Dich sehnst.
Das hoffe ich jedenfalls für dich und ich wünsche Dir Kraft dafür all die Ereignisse zu verarbeiten, die Dich in letzter Zeit in Atem gehalten haben.
Und ich wünsche Dir vor allem Gottes spürbaren Segen,
Deine Katharina