Ich bin sicher, dass Darwins Lehre stimmt, aber verträgt sie sich mit dem Christentum? Kann ich einerseits an Gott glauben, wenn ich mir andererseits sicher bin, dass die Welt nicht in 7 Tagen entstanden ist? Vertragen sich Naturwissenschaften und Glaube?
Lieber Herr Walser,
herzlichen Dank für Ihre Frage, die mir vertraut ist: Meine Schwester ist Biologin, ich bin Theologin. Wir sprechen regelmäßig über das Verhältnis zwischen Naturwissenschaft und Glaube. Wir erleben, dass sich beide Perspektiven erstaunlich oft gut vertragen. Mehr noch: Beide Welten regen einander an und fördern gute Strategien zur Lebensbewältigung.
Sie fragen, wie Darwins Lehre und die Schöpfungserzählung (Genesis 1,1 – 2, 4a) zusammenpassen. Darwin erforschte die Entstehung der Arten. Seine Entwicklungstheorie beschreibt die Mechanismen, welche die Artenbildung vorantreiben.
Der biblische Schöpfungsbericht bringt eine weitere Perspektive ein: Alles Leben ist von Gott gewollt, gut angelegt und geordnet. Er beantwortet die Frage, wozu wir Menschen bestimmt sind. Gott hat alle Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen (Genesis 1, 27), daher kann nicht rücksichtslos das Gesetz des Stärkeren gelten. Die Glaubensperspektive regt uns beispielsweise dazu an, unsere Fähigkeit zum Mitleid zur Unterstützung Schwächerer zu nutzen.
Mit großem Eifer setzen bereits meine Erstklässler im Religionsunterricht ihr Wissen aus dem Kinderlexikon und die Schöpfungsgeschichte ins Verhältnis zueinander. Aus der Glaubensperspektive bringen sie in ihr naturwissenschaftliches Wissen die Frage ein: Wie sollten wir uns Verhalten, wenn Gott uns Menschen die Verantwortung für seine gute (Genesis 1,31) Schöpfung übergeben hat (Genesis 1,28)?
Ich denke, dass der menschliche Forschungsdrang eine gute Gabe Gottes ist und die Glaubensperspektive uns dabei vor Selbstüberhöhung bewahren kann. Menschen, die sich selbst für das höchste aller Wesen halten, machen mir Angst. Daher freut es mich, wenn Wissenschaft und Glaube nebeneinander bestehen und einander Gehör schenken.
Ich wünsche Ihnen auch weiterhin Entdeckungen im Glauben und in der Wissenschaft – und dass Sie das Zusammenspiel beider Welten als gewinnbringend erleben.
Herzliche Grüße
Ihre Helena Malsy