Von dort wird er kommen zu richten?

Lothar Bindert
Getty Images/iStockphoto/horstgerlach

Mir geht der Satz aus dem Glaubensbekenntnis nicht aus dem Kopf:
"Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten."
Werde ich von Gott geliebt, auch wenn ich sündige, nicht vollkommen bin und Fehler mache?
Wie ist diese Passage zu verstehen?

Lieber Herr Bindert,

als ich Ihre Frage las, habe ich geschmunzelt und gedacht: "Willkommen im Club!" 

Ihre Frage ist im Grunde genommen genau diejenige, die die Reformation auslöste. Luther formulierte es lediglich etwas anders: "Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?" Wie Sie machte er sich klar, dass er niemals ohne Fehler sein könnte, und es machte ihm große Angst, wenn er an den Tag dachte, an dem er vor Gottes Richterstuhl stehen würde. "Von dort wird er kommen zu richten" kann zu einer Bedrohung werden. Wer möchte schon gerne vor Gericht angeklagt werden für etwas, gegen das man nichts tun kann!

Luthers Antwort darauf war letztlich denkbar einfach und bezog sich auf das, was Paulus bereits geschrieben hatte: Wir können uns noch so anstrengen, aber durch gute Taten werden wir Gott nicht dazu bekommen und so zu lieben, dass wir im Gericht nichts zu befürchten hätten. Gottes Liebe können wir uns nicht verdienen, aber wir können sie annehmen! Wir können schlicht und einfach glauben, dass Gott uns so sehr liebt, dass er selbst Mensch wurde. Nun gut, das mag nicht "schlicht und einfach" sein, aber es ist der Weg, den Luther betonte.

Und nun kommt das große Ausrufezeichen! Das heißt nicht, und hieß auch nie, dass wir tun können, was wir wollen, nach dem Motto: "Wir sind ja eh Sünder, Gott liebt uns ja trotzdem." Luther betonte immer, dass jeder Mensch, der kapiert hat, wie sehr Gott ihn liebt, aus Dankbarkeit darüber gerade versuchen wird, nicht zu sündigen und möglichst wenige Fehler zu machen.

Darum zurück zu der Passage im Glaubensbekenntnis: Hier bekennt die Christenheit, dass sie darauf wartet, dass Jesus wiederkommen wird, und wenn das geschieht, wird es das Ende der Welt sein, wie wir sie kennen. Wir hoffen darauf, dass Gott sein Reich vollenden wird. Und dazu wird Jesus alle Menschen "richten". Wenn Sie das kombinieren mit dem, was ich eben geschrieben habe, ist die Konsequenz daraus, dass wir uns dem stellen müssen, was wir falsch gemacht haben. Das wird kein Spaß, aber wir können uns darauf verlassen, dass Gott uns vergibt.

Ich grüße Sie herzlich!

Frank Muchlinsky

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