Hallo Herr Muchlinsky.
Ich habe gelesen, wie Daniela betet und das kommt meinem ganz nahe. Ihr Antwort fand ich beruhigend. Aber ich habe eine andere Frage zum Beten. Vor kurzem habe ich mich mit meiner Mutter über das Beten unterhalten und sie sagte, man müsse über Jesus zu Gott beten. Oder das Gespräch damit beenden, Jesus zu bitten es “quasi” weiterzuleiten. Ich bin verunsichert. Benutze ich dann nicht Jesus als Sprachrohr? Darf ich Gott nicht direkt ansprechen? Ist es eine Formsache, das Gebet durch Jesus zu beenden?? Ich rede auch Gott direkt an und nicht Jesus...ist das nicht erlaubt? Seitdem habe ich gar nicht mehr gebetet, da ich nicht mehr weiß wie. Habe mich immer mit meiner Art zu Beten wohl gefühlt und schon einige tolle Momente dabei erlebt.
Liebe Grüße
Liebe Simone,
Wenn wir beten, suchen wir nach dem Gespräch mit Gott. Es gibt in der Bibel vielfältige Formen des Gebets: Wir finden Fürbitten (Ruth 1,8f.), Lobpreisungen (Psalm 148), Klagen (Psalm 22) und Danksagungen (Psalm 136). Wir können laut und leise beten, fröhlich, traurig, überlegt oder impulsiv. Es gibt nicht die eine, richtige Art zu beten. Wir beten so unterschiedlich, wie wir leben. Du schreibst, dass Du Dich mit Deiner Art, zu Gott zu beten, bisher immer wohlgefühlt hast. Du scheibst, dass Du tolle Erlebnisse hattest. Vielleicht hast Du in diesen Momenten Gott in deinem Leben gespürt, hast Dich angenommen und bestärkt gefühlt. Wie Du Dein persönliches Gebet gestaltest, kannst Du selbst entscheiden. Wenn Du an deiner Art zu beten nichts verändern möchtest, ist das in Ordnung.
Es gibt in der Tradition Christentum zahlreiche verschiedene Gebetsformen. Einige richten sich an Gott, den Vater, andere an Jesus Christus, den Sohn. Anscheinend ist deine Mutter mit einer Form vertraut, in der Christ*innen ihr Gebet an Jesus richten. Diese Form hat ebenfalls ihre Berechtigung. Manchen Menschen erscheint ein Gebet zu Jesus Christus näherliegend als ein Gebet zum Vater im Himmel. Der Glaube an Jesus Christus ist der Grundstein des Christentums. Als Mensch hat Jesus auf der Erde gelebt und hat selbst Leid erfahren; gleichzeitig steht Jesus zum Vater in einer besonderen Nähe, er ist der Gottessohn. Jesus Christus kann deshalb durchaus als "Mittler" zwischen Gott und Mensch gelten. In seiner Person spürten die ersten Christ*innen eine besondere Präsenz Gottes, durch ihn fühlten sie sich Gott nahe. Nach evangelischem Verständnis sind wir Menschen durch Jesus Christus von Gott angenommen, durch ihn wurde die Distanz zwischen Gott und den Menschen überwunden. Von daher ist es ebenfalls üblich, im Christentum Gebete an Jesus Christus zu richten.
Beide Gebetsformen, sowohl an den Vater als auch an den Sohn gerichtet, haben in der Kirche Platz. Denn wir glauben an einen dreieinigen Gott: Gott ist der Vater, der Sohn und der Heilige Gest. Als Christin kannst Du zu allen drei göttlichen "Personen" beten. Ein Gebet, das Jesus anspricht, ist ebenso an Gott gerichtet wie ein Gebet zum Vater. Du musst also keine Sorge haben, dass Du Jesus als "Sprachrohr" missbrauchst. Genauso steht es dir aber frei, Dein Gebet an Gott, den Vater, zu richten, wenn sich dies für Dich besser anfühlt. Jesus selbst an uns das "Vaterunser" gelehrt, ein Gebet, das sich, wie der Name schon sagt, an den Vater richtet (Matthäus 6,9-13). Auch an diese Form des Gebets kannst Du in deinem persönlichen Gebet anschließen.
Herzliche Grüße,
Louisa Braeuer