Ich habe mehrere Fragen zu Gott:
Man sagt ja, dass Gott nie geboren wurde, und nie sterben wird.
Was hat er die Unendlichkeit lang getan, als die Erde noch nicht existierte?
Außerdem habe ich mich eine Zeit lang mit der Theodizee-Frage beschäftigt, und kam zu einem Entschluss, bezüglich Gottes Allmacht: Ist es nicht, aufgrund des Allmachtsparadoxons (kann Gott einen Felsen erschaffen, der so schwer ist, das er selbst ihn nicht tragen kann?) paradox, dass Gott allmächtig ist?
Mirja, 12-Jährige Atheistin
Hallo Mirja,
danke für deine spannenden und sehr komplexen Fragen.
Auf die erste Frage gibt es verschiedene Antworten. Zum einen ist für Gott die Zeit nicht das, was sie für uns Menschen ist. Wir haben ein lineares Verständnis von Zeit, mit einem Anfang und einem Ende. Und schon das ist begrenzt! Denn wie wir aus der Relativitätstheorie wissen, sind Raum und Zeit immer relativ. So oder so: Dieses Zeitverständnis gilt für Gott nicht, denn er ist ewig. Für ihn ist alles immer auch zugleich. Es gibt für ihn keinen Unterschied zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. So steht es schon in der Bibel, tausend Jahre sind für Gott wie ein Tag (Ps 90,4 und 2. Petr 3,8).
Zum anderen verstehen wir christlich Gott als Trinität. Als Vater, Sohn und Heiliger Geist. Gott ist also in sich selbst schon vollständig und vollkommen. Er ist in sich Liebe, und in diese Liebe lebt er in Beziehung als ein dynamisches Geschehen. Ihm fehlt also nichts, wenn die Erde, seine Schöpfung, nicht existiert.
Das führt zu deiner zweiten Frage, dem Allmachtsparadoxon. Auch darüber haben Menschen schon viel und lange nachgedacht. Es ist die Frage, wie Allmacht definiert wird. Versteht man Allmacht innerhalb eines in sich logischen Handelns? Dann würde das bedeuten, dass Gottes Allmacht den Prinzipien der Logik entspricht. Dann bräuchte es keine Antwort auf die Frage mit dem Stein, da die Frage in sich schon nicht logisch ist. Sie ist widersprüchlich. So begründen das z.B. Thomas von Aquin oder auch C.S. Lewis.
Steht aber Gottes Allmacht außerhalb der Logik, kann er also logisch Unmögliches vollbringen, dann entfällt die Frage ganz. Denn dann kann er sowohl einen Stein schaffen, der so schwer ist, dass er ihn nicht aufheben kann und ihn gleichzeitig doch aufheben. Er steht eben über der Logik und bestimmt die Regeln dafür. Also kann er auch unlogische Dinge tun. So begründet das z.B. René Descartes.
Es bleibt wieder dabei, dass wir als Menschen nur aus unserer Sicht heraus denken und urteilen können. Was außerhalb unserer Wahrnehmung oder Logik existiert, können wir nicht begründen. Wir können nur eine Aussage über die Welt treffen, wie wir sie wahrnehmen - in Zeit, Raum und Kausalität. Über Gott können wir mittels Logik also keine Aussagen treffen. So begründet das z.B. Immanuel Kant.
Da du das Ganze aber im Zusammenhang mit der Theodizee-Frage ansprichst, möchte ich auch noch darauf hinweisen, dass es einige Theologinnen und Theologen gibt, die davon ausgehen, dass Gott seine Allmacht zugunsten der Menschen begrenzt. Er zieht sich sozusagen aus seiner Schöpfung zurück und lässt dem Menschen seine Willensfreiheit - eben aber auch die Konsequenzen aus seinem Handeln. Gott ist zwar immer noch allmächtig, verzichtet aber aus Liebe zu uns Menschen darauf.
Ich hoffe, ich konnte dir ein wenig weiter helfen. Philosophie ist ein weites Feld!
Beste Grüße,
Johanna Klee