Ich glaube an Jesus, an seine Auferstehung und an die Auferstehung derer, die an ihn glauben. Und ja, ich glaube, dass er Gottes Sohn ist, dem alle Macht Gottes zuteil wurde. Ich lese noch nicht allzu lange in der Bibel, aber ich glaube gelesen zu haben, dass Jesus sagte, wir sollen nur Gott anbeten.
Gott ist für mich das höchste, er hat uns geschaffen und sagt, dass wir seinem Sohn folgen sollen. Jesus selbst betete zum Vater, so auch ich. Ich rede mit Jesus, aber bete ihn nicht an. Glaube und bete ich falsch? In der ev. Kirche werden beide angebetet, ich tue mich schwer damit.
2.Frage: Eine Verwandte von mir starb sehr qualvoll. Ein paar Tage vor ihrem Tod bat sie mich mit ihr zu beten. Ich fühlte mich etwas überrumpelt und betete mit ihr das Vaterunser. Anschließend fragte ich sie, ob sie Jesus als ihren Retter annehmen wollte. Sie warf mich böse aus dem Zimmer. Ich wusste, dass sie nicht an Jesus glaubte und habe es ihr schon lange vorher nahegelegt, dass er uns errettet. Sie wollte nichts davon wissen. Ich habe gebetet, dass Jesus sie erretten möge, aber ich finde damit keine Ruhe. Ich fürchte mich vor Gottes Gerechtigkeit.
Lieber Chris,
mit Ihrer Frage sind sie bei weitem nicht allein. Die ganze Kirchengeschichte hindurch haben sich kluge Menschen genau darüber Gedanken gemacht. Die Frage ist im Grunde genommen so alt wie die Kirche selbst.
Schon in der Apostelgeschichte finden sich Texte, in denen die ersten Christen Jesus im Gebet anrufen. Stephanus z. B. ruft verzweifelt bei seiner Steinigung: „Herr Jesus, nimm meinen Geist auf!“ (Apg 7, 59) Und in der Tat stellt sich ja die Frage, wie das zusammengeht mit vielen anderen Texten der Bibel, die leidenschaftlich die Einzigkeit Gottes betonen. Ganz deutlich wird das in Dtn 6, 5f: „Höre, Israel, Adonaj ist unser Gott, einzig und allein Adonaj ist Gott. Gott für dich, mit Herz und Verstand, mit jedem Atemzug, mit aller Kraft.“
Wie kann es sein, dass Gott ein einziger ist und dass Jesus auch göttlich ist? Jesus selbst bezeichnet sich zwar in der Bibel nie als Gott, aber Thomas z. B. ruft, als der Auferstandene ihm erscheint: „Mein Herr und mein Gott!“ (Joh 20, 28)
Über diese Spannung haben sich die Christinnen und Christen in den ersten Jahrhundert die Köpfe heiß geredet: Wie verhalten sich Vater und Sohn zueinander und wie die Gottheit und Menschheit Jesu Christi? Es gab ganz viele Parteien, die ganz unterschiedlicher Meinung zu dieser Frage waren. Die christliche Gnosis z. B., eine rel. Gruppe des 2. und 3. Jh. wollte ganz stark die Göttlichkeit Jesu betonen, so sehr, dass fast nichts Menschliches mehr in der Vorstellung übriggeblieben ist. Andere waren damit nicht einverstanden, weil ja eben in den biblischen Schriften so viel über Jesus als Menschen die Rede ist. Es wird von der Geburt erzählt, von seiner Familie, von seinen Begegnungen, von seinem schrecklichen Tod. Deshalb gehörte es dann auch zu einer ganz wichtigen Entscheidung der frühen Kirche an der Menschlichkeit Jesu festzuhalten
Beim Konzil von Chalcedon (451) haben sich dann die Christinnen und Christen darauf geeinigt, Jesus Christus als wahrhaft Gott und wahrhaft Mensch in zwei Naturen zu verstehen und dass Jesus dem Vater wesensgleich ist.
Das klingt jetzt erstmal sehr abstrakt, aber es meint im Grunde, dass Gott in Jesus Christus Mensch geworden ist, mit Haut und Händen und Füßen und dass wir es immer, wenn wir es mit Jesus zu tun haben, es voll und ganz mit Gott zu tun haben. Und dass wir uns als Christen Gott auch nicht mehr vorstellen könne, ohne dass er in Jesus Christus diese Nähe zu uns Menschen sucht.
Ich finde eine Formulierung in ihrer Frage spannend, die mir zu denken gibt. Sie schreiben: „Ich rede mit Jesus, aber ich bete in nicht an.“ Mir scheint, dass in dieser Formulierung etwas ganz Entscheidendes deutlich wird. Reden und ein Gespräch führen tut man ja auf Augenhöhe, eine intime Situation zwischen zwei Menschen. Das ist eben das besondere an der Beziehung zu Jesus, dass wir da Gott ganz nahe kommen, ihm gleichsam in die Augen blicken können.
Vielleicht kann das auch eine kleine Perspektive sein für den zweiten Teil Ihrer Frage. Was genau Ihre Verwandte erzürnt hat, vermag ich natürlich von Ferne gar nicht zu sagen. Aber mich berührt, dass sie Sie gebeten hat mit ihr gemeinsam zu beten. Eine ganz intime Situation, so stelle ich mir das vor. Sie hat mit ihnen mit den Worten Jesu gebetet. Für mich selber ist es so, dass ich Jesus gar nicht näher sein kann, als wenn ich die Worte spreche, mit denen er zum Vater gebetet hat. Und für mich ist diese Nähe im Sprechen dieser Worte stärker, als es ein lautes Bekenntnis jemals sein könnte.
Ich wünsche Ihnen Gottes Segen!
Herzlich
Katharina Scholl