Lieber Matthias,
vielen Dank für Ihre Frage. Unser Fragen-Team beantwortet Fragen öffentlich. Jede und jeder kann im Netz lesen, welche Antwort wir zu einer Frage anbieten. Darum ist meine Antwort an Sie etwas allgemeiner gehalten. Da Sie aus einer sehr persönlichen Situation heraus fragen, gebe ich Ihnen einen ersten Rat: Bitte sprechen Sie mit einem Menschen, der Sie unterstützt und gemeinsam mit Ihnen den Hintergrund Ihrer Frage gründlich ausleuchtet. Vielleicht hat Ihre Pastorin oder Ihr Pastor Zeit für ein Gespräch, vielleicht haben Sie einen Menschen im Blick, dem Sie in besonderer Weise vertrauen. Oder - wenn es sehr dringend wird - rufen Sie bitte die Telefonseelsorge an.
Vielleicht befinden Sie sich bereits in einem "Raum für Neues", möglicherweise haben Sie diesen Raum sogar schon betreten. Denn allein Ihre Fragestellung deutet an, dass Sie schon jetzt etwas loslassen, vielleicht unausgesprochen sogar schon für immer aufgegeben haben.
Meine Antwort ist recht einfach: Ich gratuliere Ihnen, dass etwas loslassen wollen und sich neue Räume schaffen möchten. Viele Männer im Alter um die Fünfzig spüren solche Veränderungswünsche, aber sie schieben diesen - mutigen - Gedanken achtlos bei Seite. Sie sagen sich, dass alles doch ganz gut läuft, also leben sie mit Kompromissen. Kompromisse sind gut, doch mancher Kompromiss ist schon lange faul. Man sollte auch kleine Veränderungswünsche beachten. Bitte nehmen Sie Ihren eigenen Wunsch ernst und gewähren sich genug Zeit, diesen Gedanken in neue Räumen zu folgen. Im Berufsleben ist es einfacher geworden mit vorgesetzten Personen auch ungewöhnliche Vorstellungen für nächste beruflich Stationen zu formulieren. In vielen Berufen ist es keine Katastrophe mehr, die Firma zu wechseln. Auch in Partnerschaften sind die wirtschaftlichen Abhängigkeiten heutzutage häufig geringer, viele Menschen können unabhängiger planen. Suchen Sie mit den Menschen, mit denen Sie viel Zeit verbringen, ein Gespräch und versuchen herauszufinden, wo sich Raum für Neues auftut.
Meine Antwort geht noch einen Schritt in eine ganz andere Richtung. Es kann auch richtig sein, sich für eine gewissen Zeit zurückzuziehen und zu schweigen. Manchmal hilft ein Bibelwort, das man immer wieder leise für sich spricht und zu seinem Gebet macht. Oder Sie hören Ihre Lieblingsmusik und erkennen neue Bedürfnisse. Aber: Bitte schweigen Sie andere Menschen nicht an, schweigen Sie für sich, suchen die Zurückgezogenheit und sagen vorher den Menschen, die Ihnen nahe sind, dass Sie bewusst schweigen. Niemand soll sich Sorgen machen, wenn Sie für eine Zeit nicht erreichbar sind. Schweigen Sie bitte außerhalb Ihres Alltags, suchen sich eine andere Umgebung. Vielleicht nehmen Sie sich Zeit für einen Aufenthalt in einem Kloster und finden dort etwas Abstand zu Ihrem Alltag. Probieren Sie einmal dieses Portal aus: Evangelische Kommunitäten.
Ein dritter Schritt in meiner Antwort: Unternehmen sie eine Pilgertour. Das muss nicht der große Weg sein, der auch mit hohen Reisekosten verbunden ist. In vielen Landekirchen gibt es Pastorinnen und Pastoren, die Pilgerwege anbieten und Sie gerne für einige Etappen auf einen Weg mitnehmen und dabei Sie und Ihren Veränderungswunsch begleiten. Bitte probieren Sie dieses Portal aus: Pilgern.de
Wichtig ist, dass wir in unserem Leben spüren, wie das Loslassen und das Aufgeben beginnt und wo und wie sich neue Räume vor einem auftun oder sich schon - unbemerkt - bereits geöffnet haben. Vielleicht sind die neuen Räume ja auch die alten Räume, die dann in einem neuen Licht erscheinen.
Ich wünsche Ihnen neue Räume, in denen Sie leben können mit den Menschen an der Seite, die Ihnen wertvoll sind, Herzlich, Ihr Henning Kiene