Hallo!
Es gibt im deutschsprachigen Raum eine Vielzahl an Übersetzungen der Bibel oder Teilen von ihr. Gibt es bei den verschiedenen Übersetzungen tatsächlich konfessionsbezogene Unterschiede -- abgesehen von der Verwendung des textus receptus? Welche ökumenischen Übersetzungen gibt es? Und im Speziellen: An welchen Stellen verfälscht die NWÜ der Zeugen Jehovas den biblischen Urtext bzw. tut sie das überhaupt?
Vielen Dank im Voraus für die Antwort!
Lieber Gast,
die drei deutschsprachigen Bibelübersetzungen, die mit jeweils kirchenamtlicher Genehmigung veröffentlicht sind (Lutherbibel, Zürcher Bibel, Einheitsübersetzung) lassen in den Übersetzungen kein konfessionelles Profil erkennen, sondern sind in der Regel von dem Ziel geleitet, den ausgangssprachlichen Text korrekt und verständlich ins Deutsche zu übertragen. Inzwischen gibt es auch keine kirchliche Vorgabe bei der Wahl des „Urtextes“ (in Ihrer Frage ‚textus receptus‘) mehr – auch die (katholische) Einheitsübersetzung legt den hebräischen und den griechischen Text der Übersetzung zugrunde, seit Pius XII. in der Enzyklika „Divino afflante spiritu“ (1943) Übersetzungen aus den Urtexten freigegeben hat. Unterschiede in einzelnen Übersetzungen sind daher in der Regel nicht konfessionell bedingt, wohl aber gelegentlich Gegenstand theologischer Kontroversen (so ist unter Theologen umstritten, ob man das 1. Mose 1,1 korrekt mit „Im Anfang“ oder „Am Anfang“ übersetzen muss. Dass sich diese Variante auf Luther (Am Anfang) und Einheitsübersetzung (Im Anfang) verteilt, ist eher Zufall).
Ökumenische Bibelübersetzungen gibt es nur eingeschränkt. Die Revision der Einheitsübersetzung ist ökumenisch gestartet, die Zusammenarbeit wurde aber 2004 evangelischerseits aufgekündigt, weil die Zusammensetzung und die Kompetenzen der zustimmenden Gremien von evangelischer Seite nicht akzeptiert wurden. Mittlerweile (seit 2017) gibt es eine weiter revidierte Einheitsübersetzung, bei deren Entstehen die evangelischen Kirchen nicht mehr beteiligt waren.
Die Gute-Nachricht-Bibel ist in Kooperation der Deutschen Bibelgesellschaft (evangelisch), des Katholischen Bibelwerks e. V. Stuttgart und der evangelischen und katholischen Bibelgesellschaften in Österreich erarbeitet worden, wird von von evangelischen und katholischen Bibelwerken vertrieben und ist damit die einzige ökumenische Bibel im deutschen Sprachgebiet. In der katholischen Kirche ist sie jedoch nur zum privaten Bibelstudium vorgesehen.
Die Neue-Welt-Übersetzung der Zeugen Jehovas (NWU) lässt natürlich schon in der Übersetzung des Gottesnamens J-h-w-h mit „Jehova“ ihre Herkunft erkennen. Sie ist –ähnlich wie die Elberfelder Bibel – sehr „wörtlich“, weil es den Zeugen Jehovas um die Irrtumslosigkeit und wortwörtliche Wahrheit der Schrift zu tun ist. Einige Übersetzungen innerhalb der NWU (z.B. Joh 1,1; Kol 1,15-20) sind davon beeinflusst, dass die Zeugen Jehovas die Trinität ablehnen. Jesus Christus ist ein Geschöpf Gottes, also nicht vor der Schöpfung existent.
Vergleich: Joh 1,1:
Luther 1984: Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.
Neue Welt Übersetzung: Im Anfang war das WORT, und das WORT war bei GOTT, und das WORT war ein Gott.
Ob der NWU die Unterscheidung zwischen „Herr“ für Gott und „Herr“ für Christus immer korrekt gelingt, ist unter Neutestamentler/inne/n umstritten. Der Artikel „Neue-Welt-Übersetzung“ in der wikipedia ist in dieser Hinsicht sehr informativ. Die NWÜ ist übrigens online verfügbar, wenn Sie sich ein eigenes Bild machen wollen.
Mit freundlichen Grüßen
Frank Muchlinsky