Wieso wurde Menstruation so negativ gesehen?

Alicia
Foto: Getty Images/iStockphoto/pxhidalgo
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Sehr geehrter Herr Bezold, in der Bibel liest man oft, dass es eine Sünde sei, wenn ein Mann eine Frau berührt oder gar Sex mit ihr hat, wenn die Frau ihre Menstruation hat, selbst dann, wenn es die eigene Frau ist. Wieso wird es in der Bibel so negativ gesehen, wenn die Frau ihre Blutung hatte? Vielen Dank schon mal Alicia H.

Liebe Alicia,

vielen Dank für diese Frage. Wenn wir mit unserem modernen Verständnis über Biologie die von Ihnen erwähnten biblischen Passagen (z.B. Lev 15) über Menstruation lesen, können wir diese oft nicht nachvollziehen. Die Regeln über Reinheit und Unreinheit sind uns fremd.

 

Liest man nun die Bibelstellen genau, fällt auf, dass es nicht um medizinische oder biologische Fragen geht. Es geht auch nicht darum, festzulegen, ob jemand hygienisch oder unhygienisch bzw. etwa gut oder schlecht ist. Es geht um priesterliche Vorstellungen von rein und unrein, um alle Bereiche des Lebens in Bezug auf Gott und seine kultische Verehrung zu deuten. Es wird also Theologie betrieben. Das Unreine steht in dieser Vorstellung für den Bereich des Naturhaften, das Reine für den Bereich der Kultur. Zum Beispiel gehört alles, was aus dem Menschen fließt – beim Mann genauso wie bei der Frau – in den Bereich des Unreinen. Der Kontakt mit menschlichem Blut galt als besonders unrein im Kult. Alles, was damit in Berührung kommt, wird auch unrein. Insbesondere Priester, die den Kult für Gott ausgeübt haben, dürfen sich nicht verunreinigen.

Aus dieser kultischen Vorstellung erklärt sich das Verbot, mit einer menstruierenden Frau zu schlafen (Lev 20,18). Die Frau und der Mann würden beide unrein, was der kultischen Überzeugung eines heiligen Lebens vor Gott widerspricht. Für uns ChristInnen hat sich diese Vorstellung verändert. Die vielen Gebote und Verbote der Bibel werden neu interpretiert und haben teilweise an Bedeutung verloren. Einerseits hat sich unsere Vorstellung von der Reinheit und Heiligkeit Gottes gewandelt. Es gibt keine Hohepriester, keinen Tempel, keine Opferriten und auch meist keine Reinheitsgebote mehr im Christentum. Gottes Heiligkeit ist für uns nicht mehr an die Reinheitsvorstellungen gebunden. Andererseits hat sich unser Wissen verändert. Wir wissen heute sehr genau über natürliche biologische Funktionen des Körpers Bescheid. Menstruation ist wie der gesamte Bereich der Sexualität deshalb keine Sünde und verunreinigt nicht, sondern ist völlig selbstverständlich. Seinen Körper und alle seine Funktionen zu erleben, macht den Menschen aus, den Gott so nach seinem Ebenbild geschaffen hat. Unser moderner Umgang mit Menstruation ist also ein anderer. Jede Frau kann selbst einen Umgang mit ihrem Körper finden, der ihr guttut, und kann das ohne Gedanken an Schuld oder Sünde tun.

 

Herzliche Grüße

Helge Bezold

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